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Filmkritik
„Papillon“: Das ist längst ein Mythos der Moderne. 1969 erschien der autobiografische Roman von Henri Charrière (1906-1973). Das Buch wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und avancierte zu einem überragenden Bestseller. 1973 folgte die Verfilmung (fd 18 656) durch Franklin J. Schaffner mit Steve McQueen und Dustin Hoffman in den Hauptrollen. Die aufwändige Inszenierung stellte die Grausamkeit der Zwangsarbeit auf einer Sträflingsinsel in Französisch-Guayana heraus und verband es mit dem Pathos der Freundschaft zweier Männer, die durch Angst und Überlebenswillen zusammengeschweißt werden. Die ausufernde Gefängnis-Saga spielte allein in den USA 22 Millionen Dollar ein. Roman und Film machten „Papillon“ zum weltweiten Synonym für die Brutalität eines Strafvollzugs, der nicht auf Resozialisierung, sondern auf Entmenschlichung setzte. 45 Jahre später folgt nun das Remake, produziert für eine Generation, die mit Charrière, Schaffner und McQueen nichts mehr anfangen kann und auch kein Sitzfleisch mehr hat für einen zweieinhalbstündigen Kinobesuch. Die Handlung bleibt dieselbe, zumal der dänische Regisseur Michael Noer das Originaldrehbuch von Dalton Trumbo und Lorenzo Semple jr. aus dem Jahr 1973 noch einmal zur Hand genommen hat. Der Ganove Henri „Papillon“ Charrière, dargestellt von Charlie Hunnam, wird im Frankreich der 1930er-Jahre zu Unrecht wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft auf der berüchtigten Strafkolonie St. Laurent in Französisch-Guayana verurteilt. Auf dem Schiff dorthin lernt er Louis Dega (Rami Malek) kennen, einen Banker und Börsenschwindler, der eine Menge Geld am Körper versteckt hat, um sich Hafterleichterungen zu erkaufen. Das wissen auch die anderen Häftlinge, doch Dega bittet Papillon um Hilfe. Als Gegenleistung finanziert er Papillons Fluchtversuche. Schon der erste scheitert; Papillon landet für zwei Jahre in Einzelhaft, wo er gegen Hunger, Krankheit und Wahnsinn ankämpft. Der Gefängnisdirektor nimmt Papillons Aufsässigkeit persönlich und macht daraus eine Fehde, die über Jahre hin ausgefochten wird. „Papillon“ hat gleich mehrere Probleme, die die Frage nach dem Sinn dieser Neuverfilmung stellen. Zum einen ist der Film eine halbe Stunde kürzer als das Original. Das führt dazu, dass einzelne Handlungsteile unter den Tisch fallen. So wird die Begegnung mit einer Lepra-Kolonie ausgespart und der Aufenthalt bei einem indigenen Stamm reduziert sich auf wenige, mit griffigen Klischees gespickte Eindrücke. Das Ende ist viel zu hastig, das Älterwerden der Figuren wird nur behauptet, nicht spürbar gemacht, der Machtkampf zwischen dem Gefängnisdirektor und Papillon kann in seiner menschenverachtenden Konsequenz lediglich erahnt werden. Mindestens genauso schwer wiegt, dass Charlie Hunnam und Rami Malek die schauspielerischen Qualitäten von Steve McQueen und Dustin Hoffman fehlen. Warum sollte man mit ihnen leiden, wenn sie ihren Figuren nur ein Gesicht leihen, aber keine Seele? Wenn Steve McQueen nach zwei Jahren abgemagert und entkräftet aus der Einzelhaft taumelt, ist man geschockt. Das Schicksal von Charlie Hunnam hingegen berührt kaum. Auch auf der Bildebene begnügt sich die Inszenierung mit dekorativen Ausschmückungen. Die Sets, die Ausstattung, die heruntergekommene Kleidung oder die Landschaft sind alle mit Bedacht gewählt. Die Hitze, die Not, die Verzweiflung, die Einsamkeit und der Wahnsinn aber teilen sich nicht mit.