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Filmplakat von Papicha

Papicha

105 min | Drama
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Algerien während des Bürgerkriegs in den 1990ern. Frauen werden unterdrückt, um die Kontrolle über ihren Körper, ihre Kleidung und ihren öffentlichen Raum zu erlangen. Die junge Studentin Nedjma lehnt die neuen Verbote der Radikalen ab und beschließt, für ihre Freiheit und Unabhängigkeit mit einer Modenschau zu kämpfen.

Vorstellungen

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Filmkritik

Die Eingangsszene von „Papicha“ könnte auch in einem westlichen Land spielen, ereignet sich aber in Algerien während der 1990er-Jahre. Zwei junge Frauen schleichen sich aus dem Wohnheim der Universität. Dem Taxifahrer, der am Straßenrand schon auf sie wartet, verschlägt es die Sprache. Denn auf dem Rücksitz seines Wagens starten die Freundinnen Nedjma (Lyna Khoudri) und Wassila (Shirine Boutella) eine Umkleideaktion, um sich für den Abend clubtauglich zu machen.

Während der Fahrer noch mit ihnen diskutiert, geraten sie in eine Polizeikontrolle. Schwerbewaffnete Männer bellen den beiden Frauen Fragen entgegen: „Was macht ihr um diese Uhrzeit draußen?“ Nedjma und Wassila reden sich heraus und geloben gegenüber den Bewaffneten, die im Namen Allahs zu sprechen vorgeben, dass sie auf dem Heimweg seien. An einen Rückzug denken die beiden, die sich eilig das Kopftuch zurechtgezupft haben, in Wahrheit aber nicht. „Ihr habt sie doch nicht alle“, schimpft Nedjma während der Weiterfahrt in die Partynacht, die erst in einer Schubkarre endet, mit der sich die Freundinnen abwechselnd ins Wohnheim zurückschieben.

Der Traum von der Modenschau

In diesen Einstellungen liegt eine berührende Leichtigkeit, die ihre Wirksamkeit vor einem tatsächlichen politischen Abgrund entfalten. Vor dem Hintergrund der autobiografisch inspirierten Geschichte über die junge Nedjma und ihren Traum, an der Hochschule eine Modenschau zu veranstalten, breitet die Regisseurin Mounia Meddour ein Panorama der algerischen Gesellschaft aus, die in den 1990er-Jahren in einer schweren, bürgerkriegsähnlichen Krise steckt.

Das Machtstreben der Islamisten droht Algerien zu destabilisieren. Auch an Nedjmas Hochschule macht sich das rigide Programm der Sittenstrengen breit. Für Frauen soll eine Kleiderordnung gelten, eine neue Einheitsuniform, der Hijab. Nedjma und ihre freigeistigen Freundinnen lachen anfangs noch über das Ansinnen der Frömmler. Doch mehr und mehr junge Frauen unterwerfen sich dem Diktat der Eiferer; einige beginnen den Islamisten sogar das Wort zu reden. Derweil erschüttern Bombenanschläge die algerische Hauptstadt.

Als eine Vorlesung von schwarzgewandeten Studentinnen gestürmt wird, verstehen Nedjma und ihre Verbündeten, dass sich ihre Lage gefährlich zugespitzt hat. Im Bus zischt jemand: „Nimm ihn [den Hijab] und bedeck dich, ansonsten bedeckt dich ein Grabtuch.“

Das Vorhaben, in der Mensa der Universität eine Modenschau zu veranstalten, scheint für die junge begabte Frau in weite Ferne zu rücken. Doch für Nedjma ist das eher Ansporn als Einschüchterung. Sie arbeitet weiter an ihren Designs. Gewagte Schnitte, raffiniert gefaltete Details und farbenreiche Neudefinitionen traditioneller Gewänder bestimmen ihr modisches Schaffen, das pure Gegenteil des auch in ästhetischer Hinsicht schauerlichen Programms der Islamisten, die alles ins eintönige Dunkel ihrer Fahnen hüllen.

Ein Denkmal für emanzipierte Algerierinnen

„Papicha“ war in den 1990er-Jahren in Algerien der Begriff für eine junge, emanzipierte Frau. Die algerisch-französische Regisseurin Mounia Meddour hat dem Typus mit ihrem gleichnamigen Film nun ein kleines Denkmal geschaffen. Ihre Arbeit ist vom gleichen trotzigen Streben beseelt wie es in ihre junge Protagonistin glüht. Der drängt sich am Ende die Notwendigkeit eines Lebens im Exil auf. Allerdings erzählt die in Frankreich lebende Filmemacherin Nedjmas Geschichte nicht als einfaches Go-West-Märchen. Das Handeln der Protagonistin ist vielmehr von einer tiefen Liebe zu ihrer Heimat und Identität bestimmt. Nedjma möchte Algerien nicht verlassen. Auch nicht für einen jungen Mann, an dessen Seite eine Existenz in Freiheit winkt. Nedjma hat es satt, auf die Männer zu hören, egal ob sie sich als sensible Wohltäter oder als theokratische Kontrollfreaks entpuppen.

Durch den Film zieht sich ein besonderer Schmerz, der durch die Augen der Protagonistin spürbar wird. Es ist der Schmerz und das Ohnmachtsgefühl, einer Gesellschaft beim kollektiven Umkippen zuzusehen. Wie bei einem Beben geraten alle Sicherheiten ins Wanken. Nedjma weiß nicht mehr, welchen Weggefährten sie noch trauen kann. Selbst Wassila scheint ihr zunehmend fremd; gerade eben noch erzählt die beste Freundin, dass sie den Mann fürs Leben gefunden habe, und am nächsten kommt sie mit einem blauen Auge in die Uni.

In Algerien verboten

Das intensive Spiel von Lyna Khoudri erweist sich als großes Glück für den Film. Ihre lebendige Figur ist differenziert und farbig ausgestaltet, was allerdings nicht für alle Nebenfiguren gleichermaßen zutrifft. Beim Zustreben auf den jähen gewalttätigen Höhepunkt der Erzählung geraten der Regisseurin die Freundinnen und Mitbewohnerinnen von Nedjma etwas aus dem Blick. Das ist ein kleiner Wehrmutstropfen in einem ansonsten durchweg eindringlichen und gelungenen Drama, das trotz zahlreicher internationaler Auszeichnungen in Algerien weiterhin verboten ist.

Es sind Persönlichkeiten wie die von Mounia Meddour und ihrer fiktionalen Stellvertreterin Nedjma, die im Fadenkreuz der Islamisten stehen. „Papicha“ erinnert daran, was im Kampf gegen diese Kräfte auf dem Spiel steht.

Erschienen auf filmdienst.dePapichaVon: Chris Schinke (11.9.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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