Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Mit jedem Schnitt wird Hutch Mansell (Bob Odenkirk) mehr von seinem tristen Alltag zermürbt. Immer schneller rasen die eingeblendeten Wochentage vorbei und damit auch die beständigen Wiederholungen seines geordneten Vorstadtlebens: die monotonen Busfahrten, der wenig erfüllende Job in der Metallfabrik des Schwiegervaters (Michael Ironside), die ständigen Sticheleien der Ehefrau (Connie Francis). Wie es der Titel nahelegt, präsentiert „Nobody“ einen scheinbar maximal angepassten Protagonisten, auf den so lange Druck ausgeübt wird, bis er innerlich zu zerbersten droht.
Die Eskalation beginnt nach einem Einbruch, bei dem Hutch als heldenhafter Retter versagt und die Demütigungen seines Umfelds nicht mehr länger erträgt. Allerdings führt der von Ilya Naishuller inszenierte Film den Zuschauer eine Weile an der Nase herum. Denn irgendwann zeichnet sich ab, dass der Protagonist in Wahrheit ein ehemaliger Auftragskiller des Geheimdienstes ist, der sich hinter der Fassade bürgerlicher Normalität zurückziehen wollte. Doch zunehmend drängt sich Hutch der Verdacht auf, dass sein neues Leben nur eine einzige Lüge ist, die seine wahre Natur unterdrückt.
Rückverwandlung in einen Krieger
Mit stylish dynamischer Inszenierung sowie ironisch eingesetzten Evergreens wie Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ oder Andy Williams' „The Impossible Dream“ folgt der Film dem unscheinbaren Protagonisten dabei, wie er sich langsam wieder in einen furchtlosen Krieger zurückverwandelt. Als Hutch in einem Bus auf eine Gruppe zwielichtiger und schwer angetrunkener Typen trifft, kommt es zur ersten von mehreren ausladenden, dicht inszenierten und sehr brutalen Keilereien.
So wie der ganze Film auf der Konfrontation von Gegensätzen aufgebaut ist, verdichtet sich diese meist von sarkastischem Humor geprägte Dissonanz primär im Spiel von Hauptdarsteller Bob Odenkirk. Der wechselt nahtlos zwischen zurückhaltendem Spießer und unverwüstlicher Kampfmaschine. Einem röchelnden jungen Angreifer, dem er mit einer Eisenstange gerade noch den Schädel zertrümmerte, rettet er im nächsten Augenblick mit einem behutsam gesetzten Luftröhrenschnitt und einem Strohhalm das Leben. Mit solchen, in ihrer Banalität mal etwas bemühten, mal komischen Momenten erdet „Nobody“ immer wieder seine grob überzeichnete Gewalt.
Später spitzt sich die Handlung auf ein Duell mit dem russischen Gangster Yulian (Aleksey Serebryakov) zu, der sich als Entertainer in einer Disco dem Vorwurf ausgesetzt sieht, nach außen hin nicht bedrohlich genug zu wirken. Eigentlich hat es Yulian auf Hutch abgesehen, weil sein Bruder unter den Opfern der Busschlägerei war, erwähnt aber auch, dass er den eigentlich nie besonders mochte. Dieser Moment ist charakteristisch für den Film, weil er sich auch sonst keinerlei Mühe gibt, hehre Vorwände für seine Figuren zu erfinden. Wenn Hutch nach der Hälfe des Films Frau und Kinder wegschickt, geschieht das nicht, weil er sie beschützen, sondern weil er seine Ruhe haben will, um sich endlich auszutoben.
Die Action folgt einem Spaßprinzip
Hutch hat noch eine zweite, weitaus relevantere Familie. Mit seinem ehemals beim FBI tätigen, inzwischen aber im Altenheim lebenden Vater (Christopher Lloyd) sowie seinem Halbbruder Harry (RZA) lässt er es in einer Lagerhalle so richtig krachen. Würde man die Story über all diese Männer, die ihren archaischen Trieben endlich wieder freien Lauf lassen, wörtlich nehmen, könnte man „Nobody“ durchaus eine reaktionäre Tendenz bescheinigen. Doch die Action folgt hier ausschließlich dem reinen Spaßprinzip. Für Hutch wird es nie sonderlich brenzlig, sämtliche Konflikte entwickeln sich aus nichtigen Anlässen und beim äußerst bleihaltigen und mit kreativen Liquidierungsmethoden garnierten Finale wirkt das Familientrio wie bei einem entspannten Jagdausflug.
Der Kern des Films liegt in dem Zwiespalt, dass die Gewaltexzesse für Hutch zwar einem Befreiungsschlag gleichkommen, es ihm aber trotzdem nie so ganz gelingt, seinem bürgerlichen Leben den Rücken zu kehren. „Nobody“ wirkt deshalb mitunter wie eine maßlose Männerfantasie darüber, sich von den Zwängen des Alltags einmal komplett zu lösen – wobei der Film durchaus selbstironisch um die Unmöglichkeit dieses Vorhabens weiß.