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Filmkritik
James Bond hat die Lizenz zum Töten zurückgegeben. Zusammen mit der Psychologin Madeleine Swann (Léa Seydoux) lebt er zurückgezogen und genießt das Leben. „Wir haben alle Zeit der Welt“, sagt er, als Madeleine ihn bei einer Spazierfahrt bittet, doch ein wenig schneller zu fahren. Während des Urlaubs in Italien besucht Bond auch das Grab von Vesper Lynd, die er 2006 kennengelernt hatte. Doch plötzlich zerreißt eine Explosion die Stille; Bond entkommt seinen Häschern nur knapp. Hat Madeleine ihn verraten?
Es kommt zum Bruch. Der Abschied von Madeleine und Bond gehört zu den traurigsten Momenten des Films. Fünf Jahre später lebt Bond inzwischen auf Jamaika. Er versucht das Leben zu genießen, auch wenn die Erinnerungen schmerzen. Da wird er gleich von zwei Seiten kontaktiert: einmal von seinem Freund, dem CIA-Agenten Felix Leiter, dann von Nomi, seiner schwarzen Nachfolgerin beim britischen Geheimdienst. Das Nomi jetzt die 007 trägt, deutet schon darauf hin, dass die Welt von James Bond gehörig durcheinandergeraten ist. „It’s just a number“, sagt jemand. Doch das ist kein Trost.
Ein lang ersehntes Wiedersehen
In einem Labor des MI6 ist eingebrochen worden, ein russischer Wissenschaftler wurde entführt. Es geht um das sogenannte Herakles-Projekt: Viren werden dabei durch die DNA so gesteuert, dass sie nur bestimmte Menschen angreifen. Menschen werden damit zur Waffe: Schon eine Berührung reicht aus, um andere tödlich anzustecken. Hat etwa Blofeld seine Finger im Spiel? Doch der sitzt seit „Spectre“ eigentlich im Hochsicherheitsgefängnis.
„Keine Zeit zu sterben“ ist zunächst einmal ein Film des ersehnten Wiedersehens. Sechs Jahre sind seit „Spectre“ vergangen. Die Dreharbeiten zogen sich hin, durch die Corona-Pandemie lag der Thriller unglaubliche 18 Monate auf Eis, sogar der Verkauf an einen Streaming-Dienst wurde diskutiert. „Keine Zeit zu sterben“ ist allerdings auch ein Film des Abschieds. Daniel Craig wird die Rolle der Doppelnull nicht noch einmal übernehmen. Vielleicht passt die Figur des hedonistisch-überlegenen Mannes ja auch nicht mehr in unsere Zeit.
Größer oder kleiner
Regisseur Cary Joji Fukunaga blickt darum oft zurück und stellt Verknüpfungen zur Vergangenheit her: zu Vesper Lynd in „Casino Royale“, zu „Spectre“ und Blofeld (Christoph Waltz in einem beängstigenden Kurzauftritt), einmal ist in einer Ahnengalerie auch Judi Dench als M zu erkennen. Und der romantische Beginn des Films schlägt die Brücke zu „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, in dem Bond sogar verheiratet war. Doch Nostalgie kommt nicht auf, dazu sind die Beziehungen zu kompliziert und von Misstrauen geprägt; zu häufig scheinen die Koalitionen zu wechseln.
„Ist Ihr Schreibtisch größer geworden? Oder sind Sie kleiner geworden?“ fragt Bond seinen Chef M, und darin liegt viel Verachtung und Enttäuschung über die fehlende Unterstützung. „Sie verheimlicht Dinge“, behauptet jemand über Madeleine. Bond gerät in Verdacht, für die CIA zu arbeiten; ein Kollege hat sich sogar auf die Seite der Bösewichte geschlagen. Auf niemanden ist mehr Verlass.
Die Umstrukturierung des britischen Geheimdienstes deutete sich bereits in „Spectre“ an, aktuelle Probleme der Überwachung finden sich auch hier wieder, etwa, wenn Blofeld künstliche Augäpfel als Rundumkameras für seine Intrigen nutzt oder Q am Bildschirm Bond durch die Schurkenfestung auf einer kleinen Insel dirigiert. Die Action ist, abgesehen vom schießfreudigen Finale, nicht mehr so turbulent und gewalttätig; das Fantastische und Exotische früherer Bondfilme scheint Fukunaga nicht mehr so wichtig zu sein. Die Motorradverfolgung durch eine italienische Altstadt endet abrupt, ebenso eine Autojagd über Stock und Stein durch die Wildnis. Eine angenehmes Understatement geht von diesen Szenen aus, die nicht mehr nur auf Attraktionen setzen.
Ein Ende, das ein Anfang ist
Fukunaga wartet aber auch mit alten 007-Versatzstücken auf, vom Aston Martin mit Maschinengewehren anstelle der Scheinwerfer bis zur Armbanduhr mit Bumms. Beeindruckend auch die Festung des Bösewichts, die an Ken Adams Entwürfe zu „Man lebt nur zweimal“ erinnert.
So ein Abschied bedeutet aber auch immer einen Neuanfang. Ana de Armas hilft James Bond auf Kuba als tatkräftige Nachwuchsagentin und lässt sich dabei auch nicht durch ihr tief ausgeschnittenes, rückenfreies Abendkleid behindern – ein kurzer, starker und amüsanter Auftritt. Nomi hingegen, die neue 007, ist eine schwarze Amazone, die nichts erschüttern kann. Deutet sich hier ein weiblicher Bond an?
Es ist aufregend, wie Fukunaga zurückblickt und sich auf die Tradition der Serie beruft, aber auch Angebote für die Zukunft macht. Der 25. James Bond ist zugleich der radikalste. Die 007-Serie wird fortan nicht mehr so sein wie zuvor.