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Filmkritik
In der Gemeinde St. Johann auf der Schwäbischen Alb kommt der zwölfjährige Paul noch immer nicht darüber hinweg, dass sein Vater vor einem Jahr spurlos verschwunden ist. Der fantasievolle Historiker hatte sich intensiv mit der Sage um den Ursulenberg befasst und Hinweise gefunden, dass es die Höhle mit den Überresten eines frühchristlichen Klosters tatsächlich gibt. Doch der Bürgermeister und die anderen Einwohner halten das für eine verrückte Idee. Als Paul am letzten Schultag vor den Sommerferien einmal mehr wegen seines Vaters gehänselt wurde, beschließt er, selbst zum Ursulenberg aufzubrechen und nach der Höhle zu suchen, um allen zu beweisen, dass sein Vater recht hatte.
Der Junge will den Aufzeichnungen seines Vaters folgen, die er in dessen Schreibtisch gefunden hat. Sein dicker Freund Max soll ihm ein Alibi verschaffen, weil er fürchtet, dass seine Mutter ihm die Tour verbieten würde. Auf sie ist er ohnehin nicht gut zu sprechen, weil ihr neuer Freund zu ihnen ziehen soll. Doch Max schließt sich Pauls Expedition in die Berge sogar an. Der Sohn eines Fleischers ist ebenfalls weggelaufen, weil er Ärger mit seinem Vater hat.
Auf autobiografischen Spuren
Zunächst genießen die Jungs die Freiheit und fühlen sich in der Wildnis so unbeschwert, dass beide das Resümee ziehen: „Der beste Sommer meines Lebens“. Unterwegs müssen sie Hindernisse überwinden und Abenteuer bestehen, zumal ein polizeilicher Suchtrupp sie verfolgt.
Der erste lange Spielfilm des Regisseurs André Hörmann entstand als zehnter Film der Initiative „Der besondere Kinderfilm“, die Kinderfilmstoffe fördert, welche ohne Buchklassiker, Bestsellerromane oder populäre Marken auskommen. An die Schauwerte der „besonderen Kinderfilme“ „Madison“, die dramatische Verdichtung von „Mission Ulja Funk“ oder die existenzielle Fallhöhe von „Auf Augenhöhe“ reicht „Nachtwald“ allerdings nicht heran.
In das Originaldrehbuch, das Hörmann zusammen mit Katrin Milhan schrieb, sind eigene Kindheitserfahrungen eingeflossen: „Mein Vater kommt aus einer Kleinstadt auf der Schwäbischen Alb. Ich habe Tage und Wochen damit verbracht, in den Bergen zu klettern und Höhlen zu erforschen.“
„Fatboy“ und „Crazykid“
Auf der Reise von Paul und Max wächst mit jeder bestandenen Prüfung die Kameradschaft der ungleichen Außenseiter. Unterwegs lernen der unkomplizierte Max, die sich mit einer Prise Ironie „Fatboy“ nennt, und der introvertierte Paul, den Max „Crazykid“ tituliert, nicht nur viel über sich selbst, sondern auch über den anderen dazu. Etwa wenn Max am Lagerfeuer offenbart, dass sein Vater ihn körperlich misshandelt hat. Auf der Flucht muss das Duo zuweilen über sich hinauswachsen, zum Beispiel als Max nur mit Pauls tatkräftiger Hilfe einen steilen Wasserfall erklimmt.
Hörmann inszeniert den Abenteuertrip als Kombination aus Spannungsmomenten und humoristischen Einschüben. Vor allem der unkomplizierte Max lockert die Stimmung mit witzigen Sprüchen auf, wobei er häufig aus populären Fantasy-Filmen wie „Star Wars“ oder „Der Herr der Ringe“ zitiert.
Blauäugig und allzu lebensfern wirkt allerdings die Lebensmaxime, die der Vater seinem Sohn Paul ins Herz gepflanzt hat: „Man muss im Leben so viel träumen, wie man nur kann. Denn was man träumen kann, kann man auch erreichen.“ Schon der Vater fand mit diesem Motto keine Anerkennung und scheiterte vor einer Kommission der Gemeinde kläglich; und der Sohn bringt sich bei seinem naiven Abenteuertrip, auf dem kurze Erinnerungssequenzen an glückliche Tage die enge Bindung zwischen Vater und Sohn beglaubigen, sogar in Lebensgefahr.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Auf der Wanderung durch die Bergwälder und bei der Erkundung der Höhle machen sich einige Längen bemerkbar, die an der Vorhersehbarkeit mancher Stationen liegen. Und auch bei der Inszenierung schleichen sich unnötige Fehler ein, wenn sich Max etwas bei der Flucht aus einem Kiosk am Fuß verletzt, in der nächsten Szene aber kräftig in die Pedale tritt. Oder wenn ein Polizist an einem verschütteten Höhleneingang behauptet, dass eine Bergung unmöglich ist, während die professionellen Bergretter kein Wort sagen dürfen. Solche dramaturgischen Schwächen können die soliden Darstellerleistungen der jungen Protagonisten Levi Eisenblätter und Jonas Oeßel nur partiell wettmachen.