Filmplakat von Mucize

Mucize

136 min | Drama | FSK 6
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1961 wird der Lehrer Mahir aus dem Westen ungewollt in den äußersten Osten versetzt, in ein Dorf, in dem es nicht einmal eine Schule gibt. Mahir ist, verständlicherweise, nicht wirklich erfreut über seine Situation, stellt jedoch nur eine einzige Bedingung: die Mädchen sollen auch zur Schule gehen. Und Aziz... Aziz ist mit seinen 34 Jahren weder verheiratet, noch kann er Lesen oder Schreiben, er ist behindert. Doch zusammen bauen sie eine Schule. Weder die Behinderung, noch die Armut, noch die verschiedenen Sprachen oder anderen Kulturen sind ein Problem. Jedoch dann fällt der Schnee. Mit dem Schicksal des Dorfes bleiben Aziz, die Kinder und der Lehrer allein zurück...
Aziz ist mit seinen 34 Jahren weder verheiratet, noch kann er Lesen oder Schreiben, er ist behindert. Doch zusammen bauen sie eine Schule. Weder die Behinderung, noch die Armut, noch die verschiedenen Sprachen oder anderen Kulturen sind ein Problem. Jedoch dann fällt der Schnee. Mit dem Schicksal des Dorfes bleiben Aziz, die Kinder und der Lehrer allein zurück...

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Filmkritik

Der türkische Arabeske-Popsänger Mahsun Kırmızigül tritt seit bald eine Reihe von Jahren recht erfolgreich als Drehbuchautor und Regisseur sozial engagierter Blockbuster in Erscheinung. Nachdem er sich in „Weißer Engel“ (fd 38 482) mit dem gesellschaftlichen Umgang mit alten Menschen, in „Güneşi Gördüm – Ich habe die Sonne gesehen“ (fd 39 262) mit kurdischen Zuwanderern in Istanbul und in „Fünf Minarette in New York“ (fd 40 180) mit dem Islamismus beschäftigte, steht in „Mucize – Das Wunder“ jetzt eine geistig behinderte Hauptfigur im Fokus. Nach zwei Dramen und einem Thriller ist Kırmızigül damit beim Ostanatolien-Western angekommen, während stilistisch weiter die ihm eigene Mischung aus Bildgewalt und moralischer Wucht dominiert. Der Lehrer Mahir wird im Rahmen seiner Ausbildung in ein kurdisches Dorf im Osten der Türkei geschickt. Da es dort aber gar keine Schule gibt, rät man ihm, doch wieder ins beschauliche Izmir zurückzukehren. Mahir aber nimmt seinen Auftrag und die Menschen in dem Bergdorf ernst. Unter der Bedingung, dass auch die Mädchen in die Schule gehen dürfen, bleibt er vor Ort. Zu den Schülern zählt auch der geistig behinderte Aziz, der von den Dörflern leidlich toleriert, aber als Außenseiter behandelt wird. Vor allem, als er mit der ebenso klugen wie schönen Mizgin aus dem Nachbarort verheiratet wird. Als sich Neid und Mobbing allzu breit machen, beschließen das Paar mit Unterstützung des Lehrers, das Dorf zu verlassen. Sieben Jahre später kehren sie, des Redens mächtig und mit zwei gesunden Kindern, aus Istanbul zurück. „Mucize“ (zu deutsch: Das Wunder), spielt in den Jahren 1960 und 1961, die vom Militärputsch gegen die Regierung Menderes geprägt waren, dessen pro-islamischer Kurs unter Erdoğan augenblicklich eine Rehabilitierung erlebt. Ein cleverer Kunstgriff, mit dem der kurdisch-stämmige Kırmızigül seine politisch-historischen Anspielungen auf weniger vermintes Terrain bugsiert. So können die Kinder bei der Eröffnung ihrer Schule schon sprachlich nicht verstehen, warum der türkisch sprechende Lehrer als Erstes eine Schweigeminute für Atatürk ausruft. Und die romantisch durch die wilde Berglandschaft galoppierenden „Räuber“, wie Mahir annimmt, bzw. „Löwen der Berge“, wie ihm der Dorfvorsteher erklärt, lassen sich unschwer als kurdische Guerilla-Kämpfer verstehen, da deren Anführer Cemilo „in die Berge gehen musste, weil er sich gegen das Handeln ehrloser Männer gewehrt hat“. Solche Anspielungen sind allerdings eher die Ausnahme. In erster Linie geht es Kırmızigül hier um ein Plädoyer für eine Bildung für alle, und zwar auch für den anscheinend hoffnungslosen Fall Aziz. Der wird durch die Emigration an einen Ort, „an dem sich die Leute nicht über mich lustig machen“, zu einem normalen Menschen. Der Schlüssel: die Zuneigung, die er durch den Lehrer und durch seine Ehefrau erfährt. „Mucize“ wandelt sich darüber zum Emanzipationsdrama mit traditionellen Untertönen. Denn die gesellschaftliche Genesung und Akzeptanz von Aziz ist nur möglich, weil sich seine Frau Mizgin für ihn aufopfert. Für die Frauenrollen halten die Filme von Kırmızigül einen interessanten Mix aus ironischer Brechung und moralischer Befürwortung traditioneller Rollenmuster bereit. Einerseits begibt sich eine matriarchalische Front aus Müttern und Schwestern in komödiantisch eingefärbten Szenen für ihre Söhne und Brüder auf absurd überspitzte Brautschau, andererseits aber ist stets von „Bestimmung“ und „Schicksal“ die Rede. „Mucize“ ist ein Lehrstück in Form eines Märchens, das Kırmızigül mit dem ihm eigenen wuchtigen Pathos und unter Ausnutzung der landschaftlichen Gegebenheiten Kurdistans inszeniert. Die tiefen Schluchten und unbewaldeten Hochebenen, in deren Mitte die flachen Häuser des ärmlichen Dorfes liegen, bieten sich für cinematografisch äußerst eindrucksvolle Totalen im Western-Stil geradezu an, zumal auch jede Menge Pferde eingesetzt werden. Die unwirtliche Weite wird mit Innenaufnahmen kontrastiert, die mit ihren bunten Trachten und dem schulischen Lernwerkzeug so etwas wie Geborgenheit, Nähe und Aufstreben vermitteln. Allerdings soll nebenbei auch noch ein Sittenbild entstehen, dessen Klischees durch den Einsatz von Humor gemildert werden sollen, was nur streckenweise gelingt, da der Stoff viel zu sehr am Pathos klebt und sich das epische Werk im Geäst seiner thematischen Vielfalt verliert. Ein aufwändiges Landschafts- und Dorfporträt, in dem letztlich aber zu vieles zu gut gemeint ist.

Erschienen auf filmdienst.deMucizeVon: Bernd Buder (21.6.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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