Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die Popularität von Johnny Depp beruht seit der „Fluch der Karibik“-Reihe weniger auf der Ausschöpfung seines schauspielerischen Potenzials als auf der Pflege eines komödiantischen Rollentypus, den er in seinen Arbeiten für Tim Burton entwickelt hat und der vor allem darin besteht, den schrägsten Vogel in einem schrägen Universum zu geben. Ob als trunksüchtiger Pirat unter Zombies, als wunderlicher Indianer unter schießwütigen Banditen („Lone Ranger“, fd 41 829), als untoter Ahnherr eines heruntergekommenen Geschlechts („Dark Shadows“, fd 41 081) oder wie jetzt als englischer Lord unter durchgeknallten Kunstsammlern, politischen Extremisten und exzentrischen Society-Ladies: Depp ist den anderen immer um eine Macke voraus. Dabei haben seine Figuren, selbst wenn sie zur „dunklen Seite“ gehören, immer etwas Kindlich-Argloses: Sie sind „reine Narren“, die sich vielleicht mal die Finger schmutzig machen, denen Bosheit aber wesensfremd ist. Der britische Lord und ausschweifende Dandy Mortdecai, den Depp in der Romanverfilmung von David Koepp spielt, hat wesentlich mehr mit diesen Superstar-Figuren gemein als etwa mit Depps abgründiger Interpretation eines englischen Lords in dem Historiendrama „The Libertine“ (2004; fd 39 015) oder auch mit der schwarzhumorigen, moralisch mehr als fragwürdigen Mortdecai-Figur in den Romanen von Kyril Bonfiglioli. Depps Mortdecai mag ein Snob sein und es mit Recht und Unrecht nicht so genau nehmen, doch Depp und Regisseur David Koepp haben dem Stoff die beißende Upper-Class-Satire der Buchvorlagen ausgetrieben und ihn zum harmlosen Spaß umfunktioniert: Der Film entfaltet sich als Krimikomödie, die einer Riege namhafter Stars jede Menge Raum zum hemmungslosen Herumalbern gibt. Die Inszenierung lässt dabei auf irritierende, aber durchaus erfrischende Weise pointierte Dialoge und die karikierend-überzeichnete Eleganz des Upper-Class-Kosmos mit derber Körperkomik kollidieren. Der Film ist gewissermaßen ein Bastard aus Gaunerkomödien à la „Wie klaut man eine Million“ (fd 14 307) mit den Filmen von Judd Apatow. Die Story ist ein einziger McGuffin: Ein unschätzbares Goya-Gemälde ist abhandengekommen. Der zuständige Agent vom MI5 vermutet, dass mehr dahinter steckt als nur ein schlichter Kunstdiebstahl, ist doch ein berüchtigter politischer Extremist in die Sache verwickelt. Der Ermittler wendet sich hilfesuchend an Mortdecai. Mit dem ist er zwar verfeindet, seit der Lord die Frau ehelichte, in die er selbst verliebt war und ist; trotzdem erhofft er sich von Mortdecais Kenntnissen über die zwielichtigen Seiten des Kunsthandels neue Hinweise. Mortdecai lässt sich in der Hoffnung, seine Steuerschulden beim britischen Staat zu minimieren, auf die Ermittlungen ein. Das ist der Auftakt für eine wahnwitzige Jagd, die über Russland bis in die „Kolonien“, nämlich in die USA, führt. Zweck dieses verschlungenen Katz-und-Maus-Spiels ist es vor allem, möglichst viele Gelegenheiten zu schaffen, um Mortdecais Exzentrik auf immer neue Spitzen zu treiben und ihn in absurde Clashs mit seinen Mitspielern zu manövrieren: mit der von Gwyneth Paltrow verkörperten Ehefrau, die angesichts seines neuen Schnurrbarts ins Würgen kommt, ihm im Goya-Fall aber tatkräftig unter die Arme greift, mit dem von Ewan McGregor verkörperten hilflos-anständigen MI5-Agenten Martland, mit dem von Paul Bettany verkörperten proletarischen Kammerdiener Jock und mit einem ganzen Haufen weiterer mehr oder wenig irrer Figuren. Dass das Ganze wie das Hund-mit-Menschenkopf-Gemälde, dass schlussendlich statt des Goyas in den gierigen Fingern eines russischen Oligarchen landet, letztendlich teurer Unsinn ist, lässt sich nicht verhehlen. Vor allem Fans, die Johnny Depp einmal mehr dabei zusehen wollen, wie er die Superstar-Depp-Persona spielt, dürften trotzdem auf ihre Kosten kommen.