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Filmkritik
Bernhard Wicki hat sich vor Jahren mit dem für deutsche Produktionsverhältnisse überraschend unkonventionellen Antikriegsfilm "Die Brücke" einen Namen gemacht. Um so gespannter durfte man sein, wieweit Hollywood in der Lage sein würde, das unverkennbar humanitäre Engagement dieses vielleicht beachtlichsten deutschen Regisseurs einzuengen, oder anders ausgedrückt, wieviel Freiheit ein Filmregisseur der amerikanischen Produktionsmaschinerie abringen kann. Wicki hat sich an ein Sujet begeben, das von der Kriegskolportage gewohnter Provenienz kaum abweicht. Ein deutsches Frachtschiff voll Rohgummi soll versuchen, von Japan kommend, die alliierte Blockade zu durchbrechen und das besetzte Bordeaux anzulaufen. Die Ladung, falls sie ankäme, würde ausreichen, den kriegswichtigen Bedarf an Gummi für Deutschland auf lange Zeit zu decken. Als Kapitän wählt man klug einen Mann, der sich bemühen muß, eine frühere Schlappe auszuwetzen. Ihm gibt man einen sturen Fanatiker als Ersten Offizier an die Seite und hofft, daß beide auch mit einer Mannschaft fertigwerden, der mehrere politische Häftlinge angehören. Unterdes erpreßt der britische Geheimdienst einen unter falschem Namen in Indien lebenden Deutschen zu lebensgefährlichem Agentendienst. Mit Parteibuch und Abzeichen eines SS-Manns wird dieser Herr "Keil" an Bord gebracht, um Vorbereitungen zu treffen, damit das wertvolle Schiff unzerstört von den Amerikanern aufgebracht werden kann. Keil muß zwölf Sprengladungen entschärfen, um das komplizierte Selbstzerstörungssystem lahmzulegen. Als der Kapitän vom Kurs abweicht und keine Aussicht mehr besteht, in die amerikanische Falle zu laufen, zettelt Keil mit Hilfe der politischen Häftlinge und anderer Gefangener eine Meuterei an, die der Erste Offizier brutal im Keim zu ersticken weiß. Als letzten Ausweg zündet Keil nun selbst die Sprengladung, um wenigstens zu verhindern, daß die kostbare Fracht in deutsche Hände gerät.
Dieses Handlungsgerüst ist mit einer Vielzahl vertiefender psychologischer Beschreibungen ausgefüllt, wie sie für das Kriegsjahr 1942 denkbar sind. Der Kapitän (Yul Brynner) erfüllt seine Pflicht, ohne die fragwürdigen Ideale seiner Befehlsgeber nachempfinden zu können. Er scheitert denn auch endgültig an der Erfahrung, daß sein Sohn alle übergeordneten Wertmaßstäbe verloren zu haben scheint: Die über Rundfunk empfangene Nachricht, der Sohn habe in der Nordsee ein britisches Schiff versenkt, versetzt ihm den letzten Stoß, als er sieht, daß dieses Schiff ein Krankentransporter war. Der Erste Offizier (Martin Benrath) hingegen ist willfähriges Instrument in den Händen der Partei, fanatisch und erbarmungslos in der Realisierung ihrer Ziele. Keil (Marion Brando) wiederum verneint die Nützlichkeit und Vertretbarkeit jedes Krieges und hat für seine Person die Konsequenz daraus gezogen, indem er mit seinem Vermögen ins Ausland flüchtete. Für ihn ist typisch, daß er zu Mozartklängen zwischen Fauteuils gezwungen werden mußte, sich an dieser barbarischen Sinnlosigkeit zu beteiligen. Aus dem Zusammenprall dieser unterschiedlichen Charaktere, aus ihren Listen und Verstellungen, bezieht der Film einen Großteil der ihm eigenen Spannung.
Was an Wickis Film zunächst beeindruckt, ist die unzweifelhaft geniale Beherrschung technischer Mittel. Kranfahrten, Schwenks und exemplarisch die Situation verdichtende Schnittfolgen, wie sie hier zwei Stunden lang durchgehalten werden, dürfte heute selbst ein Otto Preminger in solcher Perfektheit nicht mehr zustande bringen. Dennoch geschähe dem Film Unrecht, wollte man ihn als perfektionierte Kriegsschau abtun. Zwar ist der Handlungsablauf durchgehend auf die Erzeugung äußerer, abenteuerlicher Spannung getrimmt, sind die Konflikte allesamt von der Konzeption eines Reißers vorgezeichnet, haben die Verhaltensweisen der Protagonisten beständig den Beigeschmack heldischen und bösewichtigen Klischees, doch hat es Wicki dennoch verstanden, die effekthascherische Story gelegentlich transparent werden zu lassen für das kurze Aufleuchten der Frage nach der Berechtigung des vorgezeigten Tuns. Es scheint, als habe ihm vorgeschwebt, diesen in Ort, Zeit und Handlung so beschränkten Stoff sinnbildhaft werden zu lassen für das Scheitern jeder Humanität im Kriege. Die Pervertierung aller menschlichen Werte, die Unmöglichkeit des Menschseins in einer ihrem Wesen nach unmenschlichen Situation, dies alles wird momentweise sichtbar. In einer klugen Disposition der filmischen Mittel steigert Wicki das Drama über den emotionalen Höhepunkt hinaus in eine fast schon ins Irreale umschlagende Dämonie, wenn die im Schlauchboot sich rettenden Häftlinge den Ersten Offizier hohnlachend ertrinken lassen oder wenn eine Jüdin sich fünf unentschlossenen Gefangenen hingibt, um sie zur Teilnahme an der Meuterei zu veranlassen. An diesen Stellen wird plötzlich erschreckend deutlich, wie die Verhältnisse den Menschen überfallen und verändern können, wie gefährlich die Inhumanität auch den Humanen in die Bereiche des Diabolischen reißen kann.
Wer freilich die Problematik des Krieges von hier aus weiterdenken will, fühlt sich von dem Film alsbald verlassen. Zwar kennt Wickis Film kein Happy-End, doch muß er sich zum Schluß ebenso den Konzeptionen Hollywoods beugen wie in der Entwicklung des dramatischen Konflikts. Der zumindest moralische Sieg der Helden ist unumgänglich. Immerhin aber hat dieser Film bei allen Zugeständnissen an das Genre, bei aller oft überwuchernden bloß-technischen Brillanz an einigen entscheidenden Stellen den Mut zum Nonkonformismus. Wer um die Schwierigkeiten der Filmproduktion weiß, wer Filme zu sehen und wer vor allem zu relativieren versteht, wird Bernhard Wickis Werk wenigstens als den interessantesten Kriegsfilm der letzten Jahre akzeptieren.