Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Ulja weiß genau, was sie will. Das selbstbewusste Mädchen weiß auch Mittel und Wege, wie sie es bekommt. Die jüngste Tochter einer russlanddeutschen Familie, die in der fiktiven deutschen Kleinstadt Lemheim wohnt, erledigt an ihrer Schule für allzu bequeme Mitschüler gegen ein kleines Entgelt deren Hausaufgaben. Sie begeistert sich für Astronomie und hat bereits einen Asteroiden entdeckt, der nach ihren Berechnungen in vier Tagen in Belarus, gleich hinter der polnischen Grenze, aufschlagen wird. Als ihr Mentor Professor Kirsipuu ihr klarmacht, dass sie dieses Ereignis nicht verpassen darf, steht für Ulja fest: Sie muss so schnell wie möglich nach Patschurk. Und sie weiß, wie sie dahin kommt.
Eine komplexe Identifikationsfigur
Ulja wird von Romy Lou Janinhoff verkörpert, die der aufgeweckten Jungforscherin glaubhaft Zielstrebigkeit und Durchsetzungskraft verleiht. Zu Beginn fungiert Ulja als Off-Erzählerin, später wird der Film durchweg aus ihrer Perspektive erzählt. Dass sie sich so energisch für ihre Anliegen einsetzt und dabei notfalls auch rücksichtslos mit ihren Mitmenschen umspringt, macht die Figur nicht gerade sympathischer, wohl aber komplexer und als Identifikationsfigur für junge Zuschauer attraktiver.
Bis Ulja nach einer abenteuerlichen Reise am Ziel eintrifft, muss sie jede Menge Hindernisse überwinden. Stärkste Widersacherin ist dabei ihre streng religiöse Großmutter Olga (Hildegard Schroedter), die in der Familie das Sagen hat, nicht zuletzt, weil sie die Aussiedler in ihrem Haus aufgenommen hat. Auch in der kleinen freikirchlichen Gemeinde hat ihr Wort großes Gewicht. Mit dem frommen Pastor (Luc Feit) beschlagnahmt sie die wissenschaftliche Ausrüstung Uljas, um das eigensinnige Mädchen an weiteren Forschungen zu hindern und zu einem gottgefälligeren Leben zu bewegen.
Doch Ulja weint nicht lange, sondern schließt mit ihrem älteren Mitschüler Henk (Jonas Oeßel) einen Deal, obwohl der in ihren Augen eigentlich nichts kann „außer Autofahren“. Um rechtzeitig am Einschlagsort des Meteoriten VR-24-17-20 zu sein, stiehlt Ulja den ausgedienten Leichenwagen ihrer Mutter Irina (Anja Schneider). Doch kaum sind die beiden Kinder losgefahren, entdeckt der Pastor, dass seine Marienstatue verschwunden ist, in der er viel Geld versteckt hat; er alarmiert Uljas Eltern. Simon, Olga, Irina und ihr Mann Evgenji (Ivan Shvedoff) sowie die halbe Gemeinde steigen in einen klapprigen Bus und starten eine wilde Verfolgungsjagd.
Ein kurzweiliges Road Movie als Familienfilm
Der erste lange Spielfilm der 1980 in Bochum geborenen Autorin und Regisseurin Barbara Kronenberg entstand im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm“, die Kinderfilme fördern will, welche nicht auf altbekannten Vorlagen, sondern auf zeitgemäßen Originalstoffe beruhen. Auch wenn Kronenberg mit ihrem schwungvollen Kinder- und Familienfilm das Rad nicht neu erfindet, entwickelt sich das kurzweilige Road Movie zu einer einfallsreichen Komödie mit schrägen Figuren und hübschen Einfällen, etwa wenn Ulja und der Professor sich per Fax (!) austauschen. Allerdings muss man bei der Darstellung der astronomischen Forscherleistung und der Plausibilität einer 1257 Kilometer langen Fahrt eines 13-jährigen Autolenkers in fast 45 Stunden Großzügigkeit walten lassen.
Für die junge Zielgruppe sind wohl Slapstick-Nummern und Running Gags mit unterwegs vergessenen Passagieren gedacht, für eher ältere Semester der Reigen erwachsener Eitelkeiten und filmischer Anspielungen. So erinnert das Huhn, das sogar im Motorraum des Leichenwagens überlebt, an den Kinderfilmklassiker „Flussfahrt mit Huhn“ von Arend Agthe, die Buddy Movie-Abenteuer „Tschick“ von Fatih Akin oder die abenteuerliche Busfahrt an „Little Miss Sunshine“.
Die in einer katholischen Familie aufgewachsene Filmemacherin leuchtet so liebevoll wie facettenreich das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Glaube, Jung und Alt, Kindern und Eltern aus. Die skurril überzeichneten Figuren der freikirchlichen Gemeinde legen humoristische Einlagen nahe, die von feiner Ironie bis zu plakativer Situationskomik reichen. Die Figuren werden dabei nie der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern stets mit einem warmherzigen Erzählton präsentiert.
Am Ende der wunderlichen Reise haben alle etwas dazu gelernt. Nicht zuletzt Ulja, die nun weiß, wie wichtig es ist, einen guten Freund zu haben.