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Filmkritik
So richtig durchgesetzt hat sich der Desktop-Film nicht, bei dem man die ganze Zeit über wechselweise auf den Bildschirm eines Laptops oder eines Smartphones blickt. Zu anstrengend ist die Rezeption, bei der man Protagonisten beim schnellen Klick zwischen einzelnen Fenstern zusehen muss. Die Handlung ist meist zu verwickelt, da sich ihr Verlauf nur häppchenweise aufbaut und erst am Schluss ein großes Ganzes ergibt, bis ein Überraschungstwist noch einmal ein neues Licht auf das Geschehen wirft.
Im Internet zuhause wie keine andere
Timor Bekmambetov, der als Regisseur mit "Profile" (2018) im Desktop-Genre schon Erfahrungen gesammelt hat, stand 2018 als Produzent hinter dem Film „Searching“, in dem ein Vater via Internet nach seiner 16-jährigen Tochter sucht. In „Missing“ fehlt einer Tochter nun die Mutter. Bekmambetov fungiert zwar erneut als Produzent, doch das Konzept hat den Reiz des Neuen verloren.
„Missing“ erzählt die Geschichte von June Allen, einer 18-jährigen High-School-Studentin (Storm Reid), die im Internet zuhause ist wie kaum eine andere. Virtuos wie eine Dirigentin wechselt sie zwischen den Taps hin und her, von FaceTime springt sie zu Venmo und dann zu Spotify. Die Nutzung der digitalen Medien kostet sie keine Mühe. Für jedes Problem findet sie eine Lösung, kein Passwort ist ihr zu schwer.
June ist gescheit, aber sie ist kein Nerd. Der Computer dient ihr schlicht als Mittel der Kommunikation. Manchmal lässt sie auch die Kamera ihres Laptops an, so dass man in ihr Zimmer schauen kann. Ihre Mutter Grace ist mit ihrem Lebenspartner Kevin übers Wochenende nach Kolumbien geflogen. Doch als June sie vom Flughafen abholen will, ist niemand da. Die junge Frau ahnt sofort, dass etwas nicht stimmt. Sie beginnt zu recherchieren. Doch das Skype-Telefonat mit einem Hotelangestellten in Cartagena endet frustrierend – der Mann spricht nur spanisch. June engagiert daraufhin einen freundlichen Kolumbianer, der vor Ort Nachforschungen anstellt. Sie navigiert auf Google Maps und zapft öffentliche Kameras an. Dabei sieht sie, wie ihre Mutter von Unbekannten in einen Lastwagen gezerrt wird. Nun ist es Zeit, das FBI in Gestalt von Agent Park einzuschalten.
Die Logik bleibt auf der Strecke
„Searching“ überzeugte vor allem durch John Cho als verzweifelten Vater, der über den Laptop seiner Tochter deren Online-Aktivitäten nachverfolgte und sie auf diese Weise besser kennenlernte. „Missing“, inszeniert von Nicholas D. Johnson und Will Merrick, funktioniert etwas anders. Mit schnellem Tempo treiben die Regisseure ihre Erzählung voran. Rasch geht der Überblick verloren, und so manches Mal bleibt auch die Logik auf der Strecke. Viel zu oft zaubern die Regisseure eine Überraschung aus dem Hut, die man unmöglich erraten konnte. Viel zu oft strapazieren sie auch die Glaubwürdigkeit eines Konflikts, dessen Lösung nicht überzeugt.
Die Selbstverständlichkeit, mit der June jedes Passwort knackt, ist eine unrealistische Behauptung des Drehbuchs, ebenso die Leichtigkeit, mit der sie die öffentlichen Kameras in Kolumbien anzapft. Mit jeder neuen Website, die sie besucht, mit jeder neuen E-Mail, die sie liest, wirft June mehr Fragen auf, als der Film beantworten kann. Immer wieder werden die Charaktere in Frage gestellt. Das ist auf Dauer anstrengend und frustrierend. Dass das Internet keine Privatsphäre mehr erlaubt, wird hier nur beiläufig konstatiert. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist es nicht. Irritierend ist auch, dass Grace’ Verschwinden, sobald es in den Medien verbreitet wird, im Internet für Falschinformationen und Verschwörungstheorien sorgt.
Was bleibt, ist die engagierte, temperamentvolle Darstellung von Storm Reid. Und der Beitrag von Joaquim de Almeida, der dem kolumbianischen Helfer sehr viel Warmherzigkeit und Charme verleiht.