- RegieMathieu Vadepied
- ProduktionsländerFrankreich
- Produktionsjahr2022
- Dauer109 Minuten
- GenreDramaKriegsfilmHistorie
- Cast
- AltersfreigabeFSK 16
- IMDb Rating5.9/10 (1146) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Wie Tiere treiben die französischen Soldaten die jungen Männer des senegalesischen Hirtendorfes zusammen, um sie für einen tausende Meilen entfernten Krieg zu rekrutieren. Mit diesem eindrücklich, wenn auch pathetisch inszenierten Sinnbild eröffnet Mathieu Vadepied seinen Spielfilm über zwei „Tirailleurs sénégalais“, die 1917 in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs für Frankreich kämpfen (müssen). Als der 17-jährige Hirtenjunge Thierno (Alassane Diong) von den französischen Schächern eingefangen und an die Front geschickt wird, meldet sich sein Vater Bakary (Omar Sy) freiwillig zum Kriegsdienst, um ihn nach Hause zurückzuholen.
Es ist eine epische cineastische Geste, mit der Vadepied die Folie des historischen Rassismus auslegt, auf der sich dann die intime Handlung eines nahezu zeitlos wirkenden Vater-Sohn-Konfliktes entfaltet. Die Idee zu „Mein Sohn, der Soldat“ reicht bis 1998 zurück, als Vadepied vom Tod des senegalesischen Tirailleurs Abdoulaye Ndiaye erfuhr. Ndiaye war 1914 zwangsrekrutiert worden war und verstarb im Alter von 104 Jahren einen Tag, bevor ihm der damalige französische Staatspräsident Jacques Chirac den Orden der Ehrenlegion verleihen konnte.
Der Feind spricht Deutsch
In einer knappen Rahmenhandlung spielt der Film mit dem Gedanken, der unter dem Arc de Triomphe begrabene unbekannte Soldat sei ein Tirailleur. Das Anliegen, an die von vielen vergessene und kaum einmal erzählte Geschichte der Soldaten aus den ehemaligen französischen Kolonien in Westafrika zu erinnern, bildet damit den Ausgangspunkt des Filmprojekts.
Die Ausgangslage von Thierno und Bakary könnte im Vergleich zu den kriegsbegeisterten Freiwilligen der Remarque-Verfilmungen „Im Westen nichts Neues“ kaum gegensätzlicher sein. Am Ende aber landen alle im selben schlammigen Stellungskrieg, wenn auch auf unterschiedlichen Seiten der Westfront. Bei Vadepied spricht der Feind Deutsch, manchmal aber auch Französisch. Thierno und Bakary, die beide in derselben Einheit eingesetzt werden, unterhalten sich auf Ful, in der Sprache ihres Hirtenvolkes, der Fulbe, in der auch weite Teile des Films gedreht wurden. Die mögliche Alternative, die beiden Hauptfiguren Französisch mit Akzent radebrechen zu lassen, kam für Omar Sy, den Vadepied noch als Kameramann am Set von „Ziemlich beste Freunde“ kennengelernt hatte und der in „Mein Sohn, der Soldat“ auch als Co-Produzent fungiert, glücklicherweise nicht in Frage. Das hätte nicht nur die beiden Protagonisten degradiert, sondern auch die Filmhandlung ihrer facettenreichen Authentizität beraubt.
Im Gegensatz zu seinem Vater Bakary, der sich auf Ful nur mit einigen wenigen der anderen Tirailleurs verständigen kann, die unterschiedliche westafrikanische Sprachen sprechen, versteht und spricht Thierno Französisch. Der junge, leidenschaftliche weiße Leutnant Chambreau (Jonas Bloquet) der deklamiert, dass im Krieg alle gleich seien, und Thierno sprechen also buchstäblich eine Sprache. Bakary hingegen muss verheimlichen, dass er Thiernos Vater ist, und wählt statt der Kameradschaft den Weg des Einzelgängers. Während er die Flucht für sich und seinen Sohn plant, beobachtet er argwöhnisch, wie Thierno und Chambreau einander näherkommen. Als Thierno zum Corporal und damit zu Bakarys Vorgesetzten befördert wird, geraten Vater und Sohn zunehmend in Konflikt, bis sich Thierno den Fluchtplänen seines Vaters offen widersetzt.
Ein Vater-Sohn-Kammerspiel
Im Unterschied zu Edward Bergers Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“, die sich mit Verve und üppigem technischem Gepäck wieder und wieder ins Schlachtengetümmel stürzt, nutzt Vadepied die festgefahrenen Kriegsfronten vor allem als Kulisse für ein von Alexandre Desplat musikalisch gefühlig untermaltes Kammerspiel über einen Vater-Sohn-Generationenkonflikt, der trotz der ansprechenden Darbietungen von Alassane Diong und Omar Sy dramaturgisch blass bleibt. Die nur oberflächlich beleuchtete Beziehung der beiden erscheint durch einige unglaubwürdige Wendungen, die den Vater zum Überhelden stilisieren, noch konstruierter.
Die nachträglich hinzuerfundene Handlung und ihre fiktionale Inszenierung sind dem Anliegen des Films und der historischen Wahrheit am Ende nicht gewachsen. Fast in allen Szenen riecht es immer ein bisschen mehr nach Kino als nach Krieg.