- RegieFrancis Ford Coppola
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr2024
- Dauer138 Minuten
- GenreDramaScience Fiction
- AltersfreigabeFSK 16
- IMDb Rating6.9/10 (1163) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Filmkritik
Es ist zwei Jahrzehnte her, dass der französische Philosoph Jacques Rancière dem Hollywoodkino assistierte, sich keine utopische Welt mehr vorstellen zu können. Alle könnten sich das Ende ausmalen, aber keine bessere Zukunft. Dass sich ausgerechnet Francis Ford Coppola, der legendäre Regisseur des „New Hollywood“-Kinos und Multi-Millionär mit Hang zum großen Scheitern, dieser Tendenz entgegenstellen würde, war eigentlich nicht zu erwarten. Dabei lag „Megalopolis“ schon Jahrzehnte in der Schublade und ließ sich erst jetzt unter Einsatz beträchtlicher Eigenmittel des Regisseurs und Produzenten realisieren. Deshalb war es eigentlich nie eine Frage, ob diese 120-Millionen-Dollar-Produktion scheitern würde; es galt nur herauszufinden, wie sehr.
Die Mächtigen wollen ihr Geld behalten
Das titelgebende Megalopolis ist jedenfalls eine utopische Stadt, die New Rome ablösen soll, so der Name einer fiktionalen, zwischen den USA und dem Römischen Reich angesiedelten Metropole. In diesem Babylon herrschen die Korrupten und Blaublütler. Es wird einem oberflächlichen Kult gefrönt: Drogen, Modeschauen, Sex, Popstars und endlose Partys. Alle Mächtigen wollen ihr Geld behalten. Ein Krisenverwaltungsmechanismus, den man nur zu gut kennt.
Coppola inszeniert das als ewige freudlose Science-Fiction-Historien-Party mit durchs Bild rasenden Stars wie Jon Voight als Hamilton Crassus III., Dustin Hoffman als Nush „The Fixer“ Berman oder Aubrey Plaza als machtgierige Wow Platinum. Ja, so lautet ihr Name! Man kann sich die so entstehende Welt irgendwo zwischen Tik Tok, „The Hunger Games“, Spätkapitalismus und den Reden Ciceros vorstellen. Ein Film ohne Boden. Man möchte schweben, aber stürzt ständig ab.
Coppola wendet sich gegen das, was er als Vergangenheit und Gegenwart wahrnimmt. Bleibt die Zukunft, die erstmal auch nicht vielversprechend aussieht. Ein hedonistischer Rausch der Reichen jenseits jeglicher Moral bestimmt diesen Film. In dieser Welt lebt der vom Tod seiner Frau heimgesuchte Cesar Catilina (Adam Driver), ein Architekt mit der übersinnlichen Fähigkeit, die Zeit anzuhalten. Er arbeitet mit Hilfe des von ihm entdeckten neuen Baumaterials „Megalon“ am Entwurf einer utopischen Stadt. Gerade als ihn der Gegenwind aus Politik und Gesellschaft sowie die Trauer um seine tote Frau an den Rand des Scheiterns bringt, lernt er Julia Cicero (Nathalie Emmanuel) kennen, die Tochter des ihn verabscheuenden und bekämpfenden Bürgermeisters Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito). Plötzlich scheint alles möglich. Der Film zeigt den kreativen Aufschwung in seltsamen Büroszenen, in denen fröhlich gearbeitet wird; man wähnt sich fast in einem billigen Werbespot für eine Sekte.
Das Utopische im Dystopischen
Die Utopie in diesem Film, da kennt man in Hollywood kein Erbarmen, ist also mal wieder die Liebe, eine immaterielle, idealisierte Idee von Harmonie. Vielleicht ist das auch besser so, denn was Coppola sonst vorschlägt, erinnert mehr an Stalinismus als an heute tragbare Utopien, da eine Elite dem macht- und gesichtslosen Volk ein unhaltbares Ideal aufzwingt.
Wirklich zeigen kann Coppola nur die Reichen; arme Menschen leben in dieser Welt im Dreck, sind grau und wütend. Die Liebe dagegen ist rein und sauber, aus dem Ei gepellte Glätte, digitale Widerstandslosigkeit in bewundernden, riesigen Frauenaugen. Das Utopische verschränkt sich ganz schnell mit dem Dystopischen,
Die einzige Utopie in „Megalopolis“, die eine wirkliche Grundierung erfährt, entwächst dem Megalon. Dieses neue Material, das als durchsichtig schimmernde, sich selbst wiederherstellende, wundenheilende Gottheit gezeigt wird, ermöglicht eine neue Art zu denken. Allerdings hält sich der Film sehr zurück, wie genau dieses Denken aussehen könnte. Aus den an deutsche Stummfilme erinnernden Modellen erahnt man eine Nähe zur pflanzlichen Welt, eine Art vegetativen Brutalismus, der das Organische mit dem Effizienten zu verbinden trachtet.
Eine prinzipielle Offenheit
Unter Utopie versteht der Film aber vielleicht gar nichts Konkretes. Vielmehr ist es eine prinzipielle Offenheit für Veränderung, ein aus tausend Widerständen entstehender Optimismus des Willens. Auf diese Weise entfaltet sich eine bisweilen lächerliche Melange aus Dekadenz und Utopie. In holprig inszenierten Digitalbildern torkeln und tanzen römische US-Amerikaner durch anstrengend bunt ausgeleuchtete Interieurs, während sich das didaktisch vermittelte Begehren nach Optimismus aus der wirren, von Geld, Macht und Intrigen bestimmten Handlung formt. Man müsse an die Zukunft glauben, heißt es, aber so richtig wird einem nicht nähergebracht, warum das so ist.
Die sich vor Veränderung verschließenden Krusten der Eliten weichen langsam auf, aber nicht aus Überzeugung, sondern aus dramaturgischer Willkür. Vor allem die Motivationen des Bürgermeisters Cicero bleiben derart obskur. Man hat das Gefühl, da niemand etwas anderes eingefallen ist, habe man Cicero einfach ohne Grund entscheiden lassen, ob er für den Fortschritt oder die Sicherheit ist.
Dazu kommt ein vollends aus der Zeit gefallener, klischeebeladener Diskurs über das männliche Genie, hier verkörpert von Adam Drivers Stadtarchitekten. Ein leidender Begabter, launisch und unberechenbar, mit Fehlern behaftet, aber bewundert. Man begegnet so aufregenden Feststellungen wie der, dass hinter jedem Genie-Mann eine inspirierende Frau steht, was Coppola noch mit einer Widmung an seine eigene Partnerin versieht, damit niemand übersieht, wie persönlich sein Film doch ist. Liebesszenen arten ohnehin in sonnenuntergangsdurchfluteten Kitsch aus; alles andere ist Pathos.
Man könnte es allerdings auch anders sehen
Vielleicht sieht so der Film unserer Gegenwart aus, eine aufgeblasene Leere, deren „anything goes“ selbst zum Wert werden will, als Ausdruck einer wie auch immer gearteten Freiheit. Als könne man sich Veränderung kaufen. „Megalopolis“ ist ein Film, der glaubt, dass das Lamentieren reicht, um die Dinge zu verändern. Der Film eines alten Mannes. Ein Film, der sein eigenes Handwerk verachtet, weil irgendwie alles egal scheint. Da werden Waffen unter der Decke versteckt und als erigierter Penis ausgegeben, Bilder teilen sich ohne Grund in drei, Shia LaBeouf wirbelt im Transgender-Look korrumpierend durch die Szenen, ein Popstar multipliziert sich bei ihrem eigenen Auftritt, schlecht animierte Statuen erwachen zum Leben, Musik wird wahllos auf Bilder geklatscht und so weiter. Das ist Spektakelkino mit Redundanzgefühl. Die Überwältigung bleibt aus, man sieht den Bildern ihre Falschheit an; das viele Geld hat keine Illusion geschaffen, nur die prätentiöse Vision einer möglichen Zukunft, die nirgendwo hinführt.
Es gibt allerdings ein Aber. Denn „Megalopolis“ ist so schlecht, dass er dazu einlädt, ihn gut zu finden. Das ist ein bisschen Camp, ein bisschen Trash und eine so offensichtlich ausgestellte Anmaßung, dass es zu leicht ist, den Film abzukanzeln. Nicht aus Mitleid mit Coppola möchte man diesem Irrsinn Sympathien entgegenbringen, sondern weil sich in den aneinandergereihten Verfehlungen ein individueller Ausdruck verbirgt, der der Einheitsware Hollywoods doch etwas entgegenstellt. Denn „Megalopolis“ fehlen alle Sicherheitsnetze, die das Kino sonst einzäunen. Es fehlt ihm der gute Geschmack, die Gediegenheit, die üblichen Tricks, die garantieren, dass niemand die Leere bemerkt, die hinter all dem steht.
Im produktiven Scheitern liegt ein revolutionärer Mehrwert, und womöglich handelt Coppolas Film genau davon. Die Freiheit der Kunst schafft Möglichkeiten! Coppolas gelebte Utopie ist die eines Menschen, der sich nicht einzäunen lässt. Der sich freikauft, im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht aus Selbstinteresse, sondern um des gesellschaftlichen Gutes willen. Hier führt Individualität zu einer besseren Welt. Die Eliten könnten uns retten! Das ist zwar unwahrscheinlich, aber als Gedanke so gewagt, dass es interessant ist. Hier überlappen sich die Motivationen des Filmemachers und seines Protagonisten. So wird Cesars dramatisches Balancieren auf der Spitze des Wolkenkratzers zum Kehrbild von Howard Roark, jenem Helden aus dem Roman „Der ewige Quell“ von Ayn Rand, dem großen, problematischen Plädoyer für den US-amerikanischen Individualismus und zügellosen Kapitalismus. King Vidor hat den Roman 1949 mit Gary Cooper in der Hauptrolle verfilmt. Die Bilder der über der Stadt thronenden Helden ähneln sich; doch wo bei Vidor ein Himmel aufging, blickt man mit Coppola in den Abgrund.
Der Himmel für den Einzelnen, der Abgrund als Potenzial einer neu zu errichtenden Welt für alle Menschen. So kann man das sehen. Es spricht also nichts dagegen, „Megalopolis“ als in den eigenen Kult verliebte Extravaganz abzutun.