Vorstellungen
Filmkritik
Maria (Karin Viard) arbeitet als Putzfrau. Zu ihrem Berufsverständnis gehört es, stets zweimal über eine Oberfläche zu wischen – doppelt hält besser. Eine Haltung, die sie im Leben allerdings nicht weitergebracht hat. Plötzlich ist die alte Dame tot, deren Haushalt sie so viele Jahre lang in Schuss hielt. Darum fängt Maria als Reinigungskraft in der Pariser Académie des Beaux-Arts an. Die vielbeschäftigte Direktorin führt sie in einer einzigen, virtuos eingefangenen Einstellung durchs Gebäude und eröffnet ihr eine völlig neue Welt: internationale Dozenten, weltoffene Studenten und ein grummeliger Hausmeister namens Hubert, den sie heimlich beim Üben eines Elvis-Hüftschwungs beobachtet.
Dieses Schauen aus der Ferne zieht sich wie eine Metapher der Distanz durch den Film. Mit den Ausstellungsstücken kann Maria nicht viel anfangen. „Ist das Kunst oder kann das weg?“ – dieser Gag wird auch hier sehr ernst genommen, Joseph Beuys lässt grüßen. Doch Hubert hat für das Verschwinden des Objekts „Schmelzende Butter“ eine pragmatische Lösung. Maria erlaubt es, dass ihr der füllige Kauz den Hof macht, und schließt Freundschaft mit einer jungen Studentin, der sie gelegentlich hilft. Einmal hängt Maria Plastikabdrucke von Vulvas zu einem riesigen Mobile auf, dann posiert sie als Aktmodell, schamhaft erst, dann immer selbstbewusster. Die unsichtbare Putzfrau wird plötzlich angeschaut und zur Kenntnis genommen; das Verhältnis zu ihrem Körper ändert sich. Maria ahnt, dass sie ihrem Leben eine entscheidende Wendung geben muss.
Ein riesiges Poster im Büro
Auf die Geschichte eines Neuanfangs verweist schon der deutsche Verleihtitel. Das Regie-Duo Lauriane Escaffre und Yvonnick Muller zeichnet zunächst das Porträt einer zurückhaltend-fleißigen, aber auch tollpatschigen Frau Ende 40, deren Sehnsüchte, Leidenschaften und Interessen verschüttet sind. Erst durch die Berührung mit der Kunst und den Kontakt mit einer jungen Generation lernt sie, sich zu öffnen. Das Gleiche gilt auch für Hubert, der sich nur heimlich traut, Rock’n’Roll zu tanzen. In seinem Büro hängt ein riesiges Poster mit einer romantischen Landschaft, in der Mitte ein Ferienhaus, das man sogar mieten könnte. Doch auf diese Idee ist er noch nicht gekommen. Sein Auto, ein liebevoll renovierter Fiat 500, steht ungenutzt in der Garage.
Doch im Bemühen, die Folgen eines ungelebten Lebens zu verdeutlichen, geht die Inszenierung mitunter zu weit. Dass Marie und ihr Mann sich von ihrer Tochter entfremdet haben, nur weil die mit dem Freund des Vaters durchgebrannt ist, mag man nicht glauben. Störend sind auch die vielen Stereotypen, von der liebestollen Direktorin über den arroganten Kunstprofessor bis zum unsensiblen Ehemann. Natürlich kriegt auch die Kunstwelt ihr Fett weg, von ratlos machenden Objekten bis zu wortreichen, aber unverständlichen Interpretationen. Doch diese ironisch aufbereitete Kluft zwischen Künstler und Betrachter bietet nicht mehr als sattsam bekannte Klischees.
Beauty Becomes Belief
Was bleibt, sind einige überraschende Bildideen, etwa jene Ausstellungsstücke, die sich durch Schimmelpilze verändern und somit leben, oder jene Lichtinstallation, bei der die Worte „Beauty Becomes Belief“, zu einem großen Tor aufgebaut, durch abwechselnd eingeschaltete Glühbirnen neue Bedeutung erlangen. Wenn Maria und Hubert sich umarmen, werden sie von einer digitalen Kamera aufgenommen und im selben Moment auf eine elektronische Leinwand geworfen und verfremdet. Mit einem Mal scheinen sie zu einer Einheit zu verschmelzen. Kleine Lichtblicke in einer ansonsten zu einfach gestrickten Selbstfindungskomödie.