Filmplakat von #MANHOLE

#MANHOLE

Drama, Thriller
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Filmkritik

Der letzte Abend vor der Hochzeit rast über die Leinwand wie ein TikTok-Feed über das Smartphone. Kurze Videoschnipsel zeigen, wie der Verlobte in die Bar gelockt, überrascht, besungen, gefeiert und in kurzen Gratulationsclips beglückwünscht wird. Als der Rausch endet, torkelt der glückliche Shunsuke Kawamura (Yuto Nakajima) Richtung Heimat. Und findet sich einen Aussetzer später in einem Betonschacht wieder. Seine Erinnerungen an die Ereignisse des Heimwegs sind fort, die Treppe, die aus dem Loch hinausführt, ist verrostet und weitgehend abgerissen. Der Geschäfts- und zukünftige Ehemann sitzt fest.

Die Situation lädt zum Miträtseln ein

Der Reiz des „Stuck in a Place“-Genres, das oft (wie auch im Fall von „#Manhole“) als Spielart des Horrorfilms konzipiert ist, liegt in seiner Interaktivität. Die Situation der Gefangenen lädt nicht allein zur Empathie, sondern auch zum Miträtseln ein. Ein Topos, der in den letzten Jahren in Filmen wie „Fall - Fear Reaches New Heights“, „Der Schacht“ oder „#amLeben“ eine kleine Renaissance erlebt. Das Betonloch ist wie der Funkturm in „Fall“, das unzugängliche Schiff in „Open Water“ oder eben der titelgebende „Schacht“ ein Setting, das es zu entschlüsseln gilt.

Anhand der Details, die der Film sukzessive preisgibt, muss sich Protagonist Shunsuke aus der eigenen Misere herausarbeiten. Die ersten Schritte sind so naheliegend wie erfolglos: Mit der Handy-Ortung findet er seinen Standpunkt, informiert eine Freundin und schließlich, als diese ihn nicht finden kann, die Polizei. Als die traditionellen Kanäle der Hilfeleistung scheitern, bemüht der angehende Ehemann das Internet. Als „Manhole Girl“, ein Alter Ego, das seine Cleverness und Verschlagenheit gleichermaßen offenbart, erstellt er ein Social-Media-Profil und setzt seinen digitalen Hilferuf ab.

Der von Shunsuke genutzte Hashtag, der auch dem Titel des Films vorangestellt ist, verweist nicht nur auf den viralen Lösungsansatz, den der junge Karrierist findet. Er ist ein Multiplikationszeichen. Technik beschleunigt alles. Für Regisseur Kazuyoshi Kumakiri eine Gelegenheit, die Situation seines Protagonisten mit digitalen Mitteln wieder und wieder auf den Kopf zu stellen. Es beginnt mit dem Potenzial der digitalen Schwarmintelligenz. Mit Hilfe eines Fotos des Sternenhimmels ermitteln die fleißigen Follower von „Manhole Girl“ den Teil des Landes, in dem sich der Schacht befindet. Eine Videoaufnahme, die in einem verwackelten Frame das Design des Gullideckels zeigt, offenbart genaue Details über den Schacht selbst. Die Kreise werden enger und enger und die Rettung scheint für den verletzten und gefangenen Shunsuke plötzlich greifbar nah.

Eine digitale Hexenjagd beginnt

Doch die Technologie ist ein zweischneidiges Schwert. Für Shunsuke wird die Situation bald delikat, denn das anonyme Kollektiv ermittelt nicht nur sukzessive den Standort seines Gefängnisses, sondern auch die hinter seinem Pseudonym verborgene Identität. Die Online-Schnitzeljagd nimmt eine zunehmend düstere Abzweigung, als Shunsuke die Recherche auf verdächtige Arbeitskolleginnen lenkt. Die Partyfotos, die zu Beginn des Films durch das Bild rattern, werden zu Fahndungsfotos. Eine von Halbwahrheiten und Gerüchten angetriebene digitale Hexenjagd beginnt. Zwischen den unzähligen Textnachrichten, die sich ins Bild und einander aus dem Bild drücken, taucht plötzlich das Video eines blutig geschlagenen, mit Klebeband gefesselt und geknebelten Arbeitskollegen auf.

Das Digitale ist in „#Manhole“ mehr dramaturgischer Brandbeschleuniger als ästhetischer Entwurf. 0 und 1 sind clever integriert als jederzeit verfügbarer und entsprechend effizienter Informationsfluss, der zunehmend abstrusere und kurzweilige Wendungen möglich macht. Zugespitzt aber wird der Film körperlich. Eine rostige Metallleiter reißt einen Schnitt in Shunsukes Oberschenkel, das Fleisch ist weit genug geteilt, um die Schmerzen vorstellbar zu machen, die Yuto Nakajimas Darstellung nur allzu selten zu fassen kriegt.

Wirklich dringlich, abstrus und spannend wird es, als ein gelblicher Schaum aus einem alten Rohr blubbert, das ganze Betonloch zu füllen und den Gefangenen darin zu ersticken droht. Anders gesagt: Am besten ist „#Manhole“ dort, wo er mit dem Genre spielt und nicht mit dem Smartphone.

Erschienen auf filmdienst.de#MANHOLEVon: Karsten Munt (13.11.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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