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Filmplakat von OMU: MAIGRET

OMU: MAIGRET

68 min | Drama, Mystery | FSK 12
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Paris in den 50er Jahren: Eine junge Frau wird tot aufgefunden. Die Identität der geheimnisvollen Dame im eleganten Abendkleid wirft einige Fragen auf. Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) nimmt sich dem Fall an. Das Rätsel um die unbekannte Tote, die niemand zu vermissen oder überhaupt zu kennen scheint, führt den schwermütigen Kommissar durch das nächtliche Paris und bald schon findet er eine erste Spur in der Kunstszene der Stadt. Doch die Ermittlungen hinterlassen beim einsamen Maigret Spuren: Je näher er der Aufklärung des Verbrechens kommt, desto mehr wird er an ein schmerzhaftes Kapitel seiner eigenen Vergangenheit erinnert.

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Filmkritik

Die kleinen Leuchten auf dem Stadtplan sind das Hellste in dem dunklen Raum. Auf makabre Weise bestätigen sie den Ruf von Paris als „Stadt der Lichter“. Jede Leuchte steht für einen eingegangenen Notruf und damit für ein mögliches Verbrechen. „Es gibt sie zu jeder Stunde am Tag und in der Nacht“, bemerkt Kommissar Maigret, und erklärt seinem jungen Kollegen Lapointe, dass sich Polizisten zum Schutz gegen dieses Wissen unweigerlich einen „Panzer“ zulegen. Doch darin einschließen kann sich sogar der erfahrene Kriminalbeamte nicht, wie er zugibt: „Irgendwann passiert etwas ganz Banales – und plötzlich fällt dein Schutzschild einfach in sich zusammen.“

Dieses Banale ist für Maigret sein aktueller Fall, der gewaltsame Tod einer kaum zwanzigjährigen Frau, die eines Nachts im blutverschmierten Kleid auf einer Straße entdeckt wird. Die Tote scheint anfangs niemand zu kennen. Ihren Typus benennen die ersten befragten Zeugen aber schnell: ein Mädchen aus der Provinz, verschlossen, mittellos und verloren in der großen Stadt.

Ein vollendeter Panzer

An den Namen der jungen Frau erinnern sich auch die nicht, die ihr nachweislich begegnet sind, und so dauert es lange, bis der Kommissar endlich Details über Louise Louvière, über ihre Herkunft, ihre Illusionen über Paris und ihr trauriges Leben erfährt. Eine andere Provinzflüchtige hat länger mit der Toten zusammengewohnt, bestreitet aber, dass sie Freundinnen gewesen seien. Sie selbst hat es zur Kleindarstellerin in Kinofilmen gebracht, aber den Aufstieg erst durch die anstehende Heirat mit einem Mann aus reicher Familie gemeistert. Auch hier: ein vollendeter Panzer, geschmiedet, um zu überleben; die Erinnerung an die einstige Leidensgenossin prallt demonstrativ daran ab.

Es ist eine äußerst melancholische Interpretation von Georges Simenons Kommissar, die einen in Patrice Lecontes schlicht „Maigret“ genannter Filmadaption des Romans „Maigret und die junge Tote“ erwartet. Schon bevor Maigret mit der Leiche der jungen Frau konfrontiert wird, präsentiert er sich antriebs- und appetitlos, fast trübsinnig; er wehrt sich kaum noch dagegen, dass ihm der Polizeiarzt das Rauchen seiner Pfeife untersagt.

Nachdem Maigret mit den Ermittlungen begonnen hat, scheint endgültig eine gewaltige Last auf den breiten Schultern zu liegen, die Gérard Depardieu dem Kommissar leiht. Die geringe Beweglichkeit des massiven Körpers, den Depardieu mitbringt, setzt der Film offensiv ein, um einen zutiefst versehrten Menschen zu präsentieren. Depardieus Maigret tastet sich behutsam in die Aufklärung eines Todesfalls hinein, bei der es ihm vor allem darauf ankommt, das Schicksal der Toten zu rekonstruieren. Seine Fragen stellt er mit Nachdruck, aber beinahe leise und voll von mitschwingender Resignation. Die stärksten Gefühle zeigt er nicht durch große Gesten, sondern durch feine Änderungen des Mienenspiels. Selten hat Depardieu in seiner langen Karriere so zurückhaltend agiert.

Ein ewiges Dämmerlicht

Zur schwermütigen Stimmung trägt auch eine farbentsättigte Bildgestaltung bei, mit der Kameramann Yves Angelo das Ambiente der 1950er-Jahre in ein ewiges Dämmerlicht taucht. Die visuelle Spielwiese des Films sind Schatten und Nebel, aus denen sich immer wieder die markante, von oben oder hinten gezeigte Silhouette des Kommissars herausschält. Es ist ein nahezu expressionistischer Zug, mit dem Leconte seinen Maigret in Szene setzt und ihm allein durch sein Auftreten eine respekteinflößende Aura verleiht; nebenbei tippt er auch Simenons berühmte Entstehungslegende für den Kommissar an, der dem Autor an einem nebligen Herbsttag in einem Café im niederländischen Delfzijl erstmals vor dem inneren Auge erschienen sein soll.

Überhaupt streuen Leconte und sein Co-Autor Jérôme Tonnerre zahlreiche Anspielungen auf Simenons gesamten Maigret-Kosmos ein, die ihrer Hauptfigur viele Schattierungen verleihen, ohne dass diese von sich aus viel ausplaudern müsste. Der Ausgangspunkt seines ersten Falls kommt daher ebenso en passant zur Sprache wie Maigrets abgebrochenes Medizinstudium oder auch das eine unverarbeitete Trauma in der an sich so harmonischen Beziehung zu seiner Frau. Im Umgang mit der Figur des Kommissars zeigen sich die souveräne Seite des Films und sein Hauptinteresse: Die Beobachtung von Maigret steht für die Autoren erkennbar über der Aufdeckung des Kriminalfalls.

Wenn „Maigret“ trotz allen Qualitäten nicht ganz an seine besten Kinovorgänger, „Um eines Mannes Kopf“ (1933) von Julien Duvivier oder „Maigret stellt eine Falle“ (1957) von Jean Delannoy, heranreicht, dann weil dem Film nach und nach der Ermittlungsaspekt entgleitet. Indem Leconte und Tonnerre sich von der Vorlage entfernen und die Geschichte um die junge Tote mit eigenen Ideen ausspinnen, verkomplizieren sie diese auf unnötige Weise. Die empfundene Nähe des Kommissars zu der Getöteten ist schon früh evident, sodass es kaum zwingend erscheint, dass das Drehbuch noch eine Quasi-Doppelgängerin von Louise Louvière aufbietet, die Maigret unter seine Fittiche nimmt.

„Ich verurteile niemanden“

Das Zusammenspiel von Gérard Depardieu und der jungen Darstellerin Jade Labeste führt zwar zu intensiven Momenten, doch geht durch diese Entwicklung die Konzentration des Films verloren. Auch an anderer Stelle zerläuft „Maigret“, wenn die Spuren schließlich in die obere Bourgeoisie führen und in der Aufdeckung geheim gehaltener Praktiken eine etwas schwammige Polemik gegen ruchlose Reiche und ihre Dekadenz durchscheint.

Doch letztlich findet die Inszenierung wieder auf ihren Weg zurück, nahe an der Seite ihres Protagonisten, wie er sich beharrlich in die Umstände eines gewaltsamen Todes einfühlen will, so schmerzhaft die Erkenntnisse auch ausfallen werden. „Ich verurteile niemanden“, Maigrets berühmtes Credo, wird auch in diesem Film formuliert, doch mit jeder Faser macht der Protagonist spürbar, welch hoher Preis für diesen Gleichmut gezahlt werden muss. Seinen Panzer darf man sich nicht als felsenfest, sondern muss ihn sich eher als zerfetzte Hülle vorstellen.

Erschienen auf filmdienst.deOMU: MAIGRETVon: Marius Nobach (26.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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