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Filmkritik
Die zehnjährige Lucy Pagano ist alles Mögliche, aber jedenfalls überhaupt kein Gangster. Sie ist eigentlich zu gut für diese Welt, wie ihr wiederholt attestiert wird, was wohl in der Familie liegt. Lucys Eltern (Kostja Ullmann, Franziska Wulf) betreiben in ihrer nostalgisch-idealisierten Kleinstadt das Eiscafé „Felicità“, dessen Name Programm ist. Dort gehen alle mit dem richtigen Eis wieder hinaus; in genau der Menge und Sorte, die sie in exakt diesem Moment glücklich macht. Das gilt für die Fußballfans, deren Verein immer verliert, ebenso wie für den Security-Mann von der Bank, für den das Eis der einzige Lichtblick am Tag ist.
Alles ist also in bester Ordnung in diesem Städtchen. Die netten Polizisten, Stammkunden im „Felicità“, fahren noch mit dem VW-Käfer über die Kopfsteinpflaster und zeigen ganz genau, was Lucys beste und ebenso brave Freundin Rima (Lisa Marie Trense) später einmal machen möchte.
Aber dann passiert das Unglück mit der Eismaschine. Ein falsch abgelegter Schraubendreher führt zur Katastrophe. Die 30.000 Euro für ein neues Gerät können die Eltern nicht aufbringen. Die Bank gibt sich hart und überreicht Lucy kalt lächelnd nur einen Luftballon.
Als alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu sein scheinen, sieht das Mädchen nur noch eine Möglichkeit: einen Banküberfall. Aber wie wird man zum Gangster? Lucy, noch ganz die brave Musterschülerin, schlägt ihrem respektlos-frechen Mitschüler Tristan einen Handel vor: Sie gibt ihm Nachhilfe, dafür zeigt er ihr, wie man sich einen Dreck drum schert, was die anderen denken, wie man klaut, Spenden veruntreut und Skateboard fährt – und eine Bank überfällt.
Gangsterkomödie für Grundschüler
Der Film von Till Endemann, dessen Drehbuch ebenfalls von ihm und Andreas Cordes stammt, malt in harmonisch-warmen Farben ein Kleinstadtparadies aus. Die märchenhafte Überzeichnung ist Programm; Endemann hat sehr deutlich eine ganz junge Zielgruppe ab etwa 7 Jahren im Blick. Deshalb dürfen auch einige sehr grobe Pinselstriche nicht fehlen; bei Tristans Workaholic-Eltern isst man Sushi, während die Mutter auf Japanisch telefoniert und der Vater Verträge abschließt.
Das Grundkonstrukt erinnert ein wenig an „Kletter-Ida“ von Hans Fabian Wullenweber, doch während dieser Film eher im Genre des Heist Movie wilderte, transponiert „Lucy ist jetzt Gangster“ die Gangsterkomödie in die Grundschule.
Das funktioniert über weite Strecken auch deshalb so gut, weil „Lucy ist jetzt Gangster“ sich zwar seine Leichtigkeit bewahrt, aber insbesondere die Konflikte der Protagonistin – auch die mit Prä-Polizistin Rima – und ihre Wandlung (die so endgültig am Ende womöglich doch nicht ist) ernst nimmt. Die Zwillinge Valerie und Violetta Arnemann verkörpern Lucy (und auch ihr Spiegelbild, mit dem sie in Zwiesprache steht) so überzeugend, dass Endemann seine „Gangster-Lucy“ am Ende auch nicht in „böse“ Klamotten stecken muss, damit man ihr die Entschlossenheit glaubt.
Gut, böse oder doch was anderes?
Am Ende steht eine moralische Entscheidung: In welche Richtung soll „Lucyfer“ die Waage zwischen Gut und Böse kippen lassen? Oder kann man „gut“ und „böse“ sein vielleicht doch auf geeignete Weise miteinander verbinden?
Das Drehbuch trifft durchgehend den richtigen Ton; leichtfüßig und stilsicher weicht es den Fallstricken und Kitschmomenten aus, die eine komödiantisch so vereinfachte Handlung mit sich bringt. Nur einmal kurz vor Schluss rutscht der Film ab, als ein Scherz mit Ketamin oder einer ähnlichen Substanz für einen Handlungstwist eingesetzt wird – kein Sujet, über das man in dieser Form und in einem Kinderfilm scherzen sollte. Das junge Publikum wird es kaum bemerken, den Eltern kann es leicht aufstoßen. Denn der warmbunte „Lucy ist jetzt Gangster“ bewegt sich stets ehrlich auf Augenhöhe mit seinem Publikum und ist unironisch schlicht herzensgut. Ganz wie Lucy.