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Filmkritik
„Mein Leben war im Arsch“, schleudert Reyhan ihrer großen Liebe Eren wütend entgegen. Die steht nach zwanzig Jahren mit ihren aufgestauten Gefühlen plötzlich vor ihr und versucht sie davon zu überzeugen, an die gemeinsame Geschichte anzuknüpfen, zusammen wegzugehen und ein neues Leben zu beginnen.
Reyhan und Eren waren Teenager, als sie sich heftig ineinander verliebten. Als die Beziehung aufflog, schickte Erens Vater, ein einflussreicher Minister, seine Tochter zum Studium ins Ausland. Reyhans Vater, der im Sommerhaus der Familie als Hausmeister arbeitete, ließ er von der Insel Büyükada vertreiben. Reyhan wurde geächtet, durfte nicht studieren, ihr Vater verarmte. Die Briefe, die sie an Eren schrieb, blieben unbeantwortet. Aus Verzweiflung suchte sie eine Magierin auf und belegte die Geliebte mit einem Liebeszauber.
Wut, Verbitterung, Bedauern, Verzweiflung
Das klingt ein wenig nach Märchen. Tatsächlich aber befasst sich „Love, Spells and All That“ trotz mancher unglaubwürdigen Wendung auf dem Boden des Realismus mit gleichgeschlechtlicher Liebe – einem in der türkischen Gesellschaft immer noch häufig tabuisierten und filmisch wenig erzählten Thema.
Die Wiederbegegnung der beiden Frauen erzählt der Regisseur Ümit Ünal in einer ausgedehnten und mit allerhand Informationen vollgepackten nächtlichen Dialogszene. Wut, Verbitterung, Bedauern, Verzweiflung, Entfremdung: Die Emotionen wirbeln nur so durcheinander. Erens versuchte Annäherung schmettert Reyhan ungläubig ab; ihre damalige Liebesgeschichte sei nichts anderes als „Kinderkram“. Man kann verstehen, dass sie die andere in ihrer Besessenheit für leicht verrückt hält, schließlich steht zwischen den beiden Frauen mehr als eine zwanzigjährige Trennung. Erin hat in Paris studiert, über Lacan promoviert, ist wohlhabend und fällt mit ihren raspelkurzen Haaren auf der Insel sofort auf. Reyhan hält sich mit einer kleinen Rente über Wasser und lebt mit Gökhan in einer Bruchbude, in der kein einziges Buch vorhanden ist.
Auch äußerlich geben sie ein ungleiches Paar ab. Erens Gesicht ist spitz und in ständiger Anspannung, Reyhan wirkt mit den hängenden Schultern und den nach unten gezogenen Mundwinkeln erschlafft und müde, so als sei alle Lebensenergie aus ihr gewichen.
Eine vom Aberglauben geprägte Welt
Nach dem anfänglichen Hin und Her von Wegschicken, Nicht-Gehen-Wollen, Weggehen und Zurückkommen, das in einem dramatischen Zusammenbruch mündet, ist bald alles licht und sommerlich; die Verhärtungen der anstrengenden Nacht haben sich gelöst. Auf der Suche nach der spirituellen Führerin, die den Bann umkehren soll, kommen sich die beiden Frauen näher; dabei wirft der Film auch Seitenblicke auf eine von Aberglauben geprägte Welt.
Im Bemühen, die patriarchalen Verhältnisse in der Türkei zur Sprache zu bringen, wechselt Ünal gelegentlich etwas ungeschickt in die (voyeuristische) Perspektive Gökhans, der seiner Lebensgefährtin und ihrer Jugendfreundin heimlich folgt. Dabei hat der Film mit der Ausleuchtung der Beziehung der zwei Frauen schon genug zu tun. „Love, Spells and All That“ wirkt streckenweise etwas schwerfällig und bemüht, doch wenn die Anspannung und die Verbitterung von Reyhan und Eren abfällt, findet auch der Film zu einem leichteren, mitunter sogar augenzwinkernden Ton.