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Filmkritik
Ein polnischer Episodenfilm über zwischenmenschliche Beziehungen in Zeiten der Pandemie, festgemacht an drei Frauen und einem Mann. Kaja ist eine Boulevard-Journalistin mit schwarzen, lockigen Haaren, die sich ihre Liebhaber auf Tinder sucht. Als sie für eine Geschichte einen Aufreißer-Guru porträtieren soll, flirtet sie mit ihm, um ihn öffentlich zu beschämen. Später wird sie sogar behaupten, dass er sie vergewaltigt habe. Und während sich der Film noch auf ihre Seite stellt, offenbart eine Rückblende alles als perfide Inszenierung.
Verzaubert durch die Macht der Worte
Nora hingegen, 48 Jahre alt, ist eine modebewusste Fotografin, die sich aus einer Laune heraus mit einem ihrer männlichen Models einlässt und ihn sogar beim Sex fotografiert. Als er sich von ihr löst, will sie ihn mit diesen Fotos erpressen. Doch sie entscheidet sich anders. Die dritte, Olga, arbeitet als Rechtsanwältin und hetzt bei Demonstrationen schon mal gegen muslimische Einwanderer. Eigentlich lebt sie mit dem netten, aber viel zu braven Kamil zusammen. Dann aber lernt sie bei einer Poetry-Slam-Lesung den Araber Baha kennen, der sie mit der Macht der Worte verzaubert. Auch der Sex mit ihm ist höchst befriedigend. Doch kaum ist er bei ihr eingezogen, entpuppt er sich als brutaler Macho, der totale Unterwerfung verlangt.
Dann gibt es noch Bartek, der schüchtern und trotz seiner 24 Jahre noch immer Jungfrau ist. Er stammt aus einer streng religiösen Familie, die ihm viele Verbote auferlegt. Zufällig lernt er einen männlichen Stripper kennen, der ihn bei den polnischen Chippendales unterbringt. Jetzt liegen ihm die Frauen zu Füßen und bezahlen sogar für seine Liebesdienste. Bis er Roksana kennen lernt.
Die Pandemie ändert dann alles. Plötzlich sind die Straßen von Warschau menschenleer. Das ist ein dystopisches Bild, auf das der Film noch häufiger zurückkommt. Im dokumentarischen Gestus dieser Szenen ist „Love, Sex und Pandemic“ am interessantesten: Hier steht eine Stadt wirklich still. Weil man als Zuschauer, egal ob in Polen oder anderswo, diese Situation während des Lockdowns selbst erlebt hat, wirkt sie umso beängstigender. Ansonsten gefällt sich der polnische Regisseur Patryk Vega im Tabubruch, vor allem beim Sex. Sadomasochismus, Lederfetischismus, Gruppensex, käuflicher Sex, Promiskuität, Vergewaltigung, Selbstmord, dargeboten auf ebenso groteske wie überzeichnete Weise.
Anspruch und Subtilität bleiben auf der Strecke
Schon in „Small World“ hatte Vega das Thema des Kindesmissbrauchs und der Zwangsprostitution als Vorwand genutzt, um einen ruppigen Actionfilm zu erzählen. Anspruch und Subtilität blieben dabei auf der Strecke. Jetzt gibt Vega damit an, dass er bezüglich Sex kein Blatt vor den Mund nimmt. Vielleicht hofft er darauf, dass er in einer streng katholischen Gesellschaft wie in Polen als „Bilderstürmer“ gefeiert wird. Doch die Art und Weise, wie er sich hier das Liebesleben von Frauen im mittleren Alter vorstellt, ist schlicht pubertär.
Ärgerlich ist dabei vor allem die Misogynie des Films: Die Frauen, alle schön und sexy gekleidet, sind stets für ein Abenteuer bereit; der Sex wird als Waffe für hinterlistige Intrigen genutzt. Irritierend ist auch, wie sehr Vega die Figuren desavouiert. Besonders Olga, der ausländerfeindlichen Feministin, nimmt man die Wandlung zum unterwürfigen Heimchen am Herd nicht ab. Dass mit der Pandemie dann der große Katzenjammer ausbricht – Stichwort Einsamkeit, Kontaktarmut und Verzweiflung – ist so nur noch ein Allgemeinplatz, dem sich keine neuen Erkenntnisse abgewinnen lassen.
Einmal gehen die vier Hauptfiguren in die Kirche und hören das Gleichnis vom Sämann und dass nicht jedes Korn auf fruchtbaren Boden fällt. Doch auch wenn die Aussaat von vielen Missgeschicken begleitet wird, lohnt sie sich am Ende. Es geht also um Erfolg und Misserfolg. Doch das ist eine falsche Fährte. Denn am Schluss hat fast keiner der vier Protagonisten seine Lektion aus der Pandemie gelernt. Auch als Zuschauer muss man sich fragen, was der Regisseur eigentlich sagen will. Nur frech und selbstbewusst Bildtabus zu brechen, ist dann doch zu wenig.