Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Lotti (Marion Mitterhammer) ist Pornodarstellerin und Mutter. Zwei Rollen, die unter den abschätzigen Augen der Provinzler ihrer Heimatstadt kaum zu vereinbaren sind. Lotti entschied sich für die ungewöhnliche Karriere und ließ ihre Tochter in Bleicherode zurück. Nach dem Tod ihrer Mutter, die sich bislang um ihre Tochter kümmerte, kehrt Lotti in die Heimat zurück. Doch so wenig sich das Stigma der Pornoindustrie ablegen lässt, so wenig lässt sich eine Mutterrolle nach jahrelanger Abwesenheit wieder aufnehmen.
Die Aufmerksamkeit, die Lotti bei ihrer Rückkehr zuteilwird, beschränkt sich auf ihren Lebensweg als Erotikdarstellerin. Die Tochter kehrt ihr den Rücken, während die alten Männer des Dorfs offen ihre Verachtung ausdrücken. Über weite Strecken ist „Lotti oder der etwas andere Heimatfilm“ ein Film der Wiederbegegnung. „Ich kenne sie doch irgendwo her“, wird zur Begrüßungsformel für diejenigen, die Lotti nie angezogen gesehen haben, während der Rest in ihrer Anwesenheit sexistische Witze mit lange abgelaufenem Verfallsdatum durchkaut. Ein paar wenige alte Vertraute bieten ihr Schützenhilfe, doch Lotti kommt nie wirklich in Bleicherode an. Ein ums andere Mal scheint ihre Aufgabe und damit der Film mit der morgendlichen Radiodurchsage und dem dazugehörigen Blick auf die Rathausuhr neu zu beginnen.
Eine Schleife aus zähen Wiederholungen
„Lotti oder der etwas andere Heimatfilm“ zieht bis zur Ermüdung seine Kreise durch die Kleinstadt, als wäre es die erste Priorität des Films, möglichst viele Bewohner zu Wort kommen zu lassen. Das ist der Produktionsgeschichte des Films geschuldet. Regisseur Hans-Günther Bücking, selbst in der Thüringer Kleinstadt geboren, hat nahezu alle Rollen und einen Teil des Stabs mit Menschen aus Bleicherode besetzt, den Film von lokalen Musikern vertonen und von lokalen Geschäften sponsern lassen. Diese außergewöhnliche Entstehung bringt jedoch weniger die Vorzüge des regionalen Temperaments mit sich als vielmehr ein ungesundes Pflichtbewusstsein. Um jedem Laiendarsteller eine mehr oder weniger gewichtige Rolle zuzuweisen, verharrt der Film im dramaturgischen Wiederkäuen der gleichen Situationen.
Das große Potenzial des Laienschauspiels bleibt dabei völlig ungenutzt. Die Energie, die Laiendarsteller eben nicht aus ihrem Schauspieltechnik-Repertoire gewinnen, sondern unmittelbar aus ihrer Persönlichkeit, wird hier regelmäßig im Keim erstickt oder mit Hilfe einer Nachsynchronisation gänzlich überschrieben. Den Darstellern werden allesamt Rollen aufgedrückt, die ihrer Entfaltung im Weg stehen. Mit der gleichen Monotonie, mit der die Szenen aneinandergereiht werden, werden sie auch vorgetragen. Bücking dringt bis in die letzten, mit Farbfiltern aufgedonnerten Einbauküchen und Kaffeehäuser vor, um den gesamten Cast vorzustellen und möglichst viele Songs der ebenfalls aus Bleicherode stammenden Rockband „Emma“ zwischen den Szenen zu platzieren.
Der Charme der thüringischen Provinz
Der von der Inszenierung weitgehend begrabene Charme der Provinz leidet auch unter einem Drehbuch, das, ganz den Topoi des modernen Heimatfilms entsprechend, lieber gegen das Spießbürgertum aus der Provinz schießt, als die Eigentümlichkeiten der mitteldeutschen Kleinstadt auf die Leinwand zu übersetzen. Die Kollision, die sich zwischen der freien Auslebung weiblicher Sexualität und provinziellem Konservatismus anbahnt, ergibt letztlich aber keinen wirklichen Knall, sondern legt sich als ein gleichmäßig dumpfes Rauschen über alle Szenen. Von dem singulären, sympathischen und gänzlich vom Kollektiv gedachten Filmprojekt bleibt auf der Leinwand nicht mehr allzu viel übrig.