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Filmkritik
Ein Western, könnte man meinen. Auf der Leinwand: Weite in rotgoldenem Licht, die Bilder so breit wie der Hut des jungen Kerls, der im Vordergrund herumschlendert. Ein Cowboy also, Romantik der Leere, so geht es los. Doch „Western“ ist exakt die falsche Assoziation. Denn „Lonesome“ von Craig Boreham ist ein Film aus Australien, der durch die schöne Landschaft hindurch zackig das Klo einer Highway-Raststätte ansteuert, in dem der Cowboy namens Casey mit irgendeinem dicken Trucker Sex hat. Schnell und hart passiert das, von Romantik keine Spur; dem Jungen unterm Cowboyhut fehlt jedes Gefühl. Alles, was er nach außen sehen lässt, ist Gleichgültigkeit.
Craig Boreham hat die Filmhochschule in Sydney besucht. Er drehte Kurzfilme in loser Folge, einer davon lief schon 2005 auf der Berlinale. „Lonesome“ ist sein zweiter langer Film, der in der australischen LGBT-Szene spielt. Jung und schwul sind die Figuren; den daraus entstehenden Problemen widmet sich Boreham mit einem angenehm distanzierten Blick. Er setzt die Protagonisten in großartig gestylte Bilder und schaut, ohne zu drängeln, was sich entwickelt. So auch in „Lonesome“, in dem Casey vom Truckstop aus nach Sydney weitertrampt, erkennbar ohne konkretes Ziel, außer, dass er zum ersten Mal das Meer sehen will.
Organisiert und furchtlos
Der Film eröffnet die Möglichkeit, mit Casey durch die fremde Stadt zu treiben, die nachts in blauen Lichtern funkelt. Queere Bars sind überall, dazwischen streunt der Cowboy durch die Straßen, schleicht sich bei irgendeiner Party ein, leert das Büffet, klaut Whiskyflaschen und kommt gerade noch davon. Er wirkt organisiert und furchtlos und er kann durchaus auch sprechen. Diese Erkenntnis hilft, denn meistens schweigt Casey; die Sprache, die er nutzt, ist Sex, und all die einsamen Menschen, die er in Sydney trifft, sprechen diese auch ganz gerne.
Casey schlägt sich mit Hilfe einer App wie Grindr durch; wo sie ihn für ein Date hinführt, bleibt er zum Schlafen. So landet er bei Tib, dem Sohn einer Immigrantin, bei dem er eine unverhoffte Freundschaft findet. Das bringt ihn durch die nächsten Wochen. Er wohnt in Tibs Apartment und begleitet ihn zu Hilfsarbeiterjobs. Allmählich setzt sich aus ihren Gesprächsfetzen eine ähnliche Vergangenheit zusammen: Beide mussten zuhause raus, nicht unter glücklichen Umständen. Einmal trinken sie auf die „Cunt-Dads“ dieser Welt. Ihre Beiläufigkeit macht sie charmant, so wie der Film seinen Charme daraus zieht, dass er die Jungs nicht an die Verzweiflung kettet. Sie lauert in den Ecken, aber sie nimmt nicht überhand.
Geschichte der Annäherung
„Lonesome“ erzählt eine Geschichte der Annäherung. Casey wird seine Erstarrung, Tib seine Fluchtreflexe erkennen, während sie sich gegenseitig finden und verlieren. Der Weg dorthin wird ihnen von stetem Sex geebnet, das macht den Film manchmal langweilig. Formal wird das mit Borehams Stilwillen überspielt; die Figuren werden wie Pin-ups in kunstvolle Zweierpositionen arrangiert oder von Rückblenden in ländliche Poesie heimgesucht, was inhaltlich die Spannung trotzdem nicht steigert.
Die Beziehung, zu der Tib und Casey finden, funktioniert nach der Mechanik der Unentschlossenheit, aber immerhin macht das aus „Lonesome“ am Ende einen Liebesfilm. Einen mit einer annähernd pornografischen Seite; die Kamera schaut immer hin, ist immer nahe auf den Körpern, egal ob es wild oder liebevoll, gewaltsam oder kinky zwischen den Männern zugeht.