Vorstellungen
Filmkritik
Einen sonnengelben, klapprigen VW-Bus, die langen Highways zwischen New Mexiko und Kalifornien und eine ebenso schrullige wie hinreißende Familie aus sechs höchst unterschiedlichen Individuen: mehr braucht es für Jonathan Dayton und Valerie Faris nicht, um die wohl schönste und lustigste Komödie des Jahres zu kreieren. Dabei herrscht bei den Hoovers, von denen der Film erzählt, nicht gerade Friede, Freude, Eierkuchen; alle sind sie irgendwie an verschiedenen Varianten des „American Dream“ gescheitert – oder scheitern im Lauf des Films. Aber dass nicht nur Sieger Gewinner sein können und Verlierer nicht unbedingt Loser sein müssen, ist eine der Lektionen, die die Familie im Lauf einer großen Reise lernen wird. Die einzigen halbwegs normalen Mitglieder des Clans sind die von ihrer Rolle als Ernährerin und Fürsorgerin überforderte Mutter Sheryl und die siebenjährige Olive, die sich bisher eine beneidenswerte Naivität und Unbefangenheit bewahren konnte. Vater Richard ist zwar theoretisch ein Gewinnertyp – dank eines selbst entwickelten Neun-Stufen-Konzepts –, in der Praxis geht der erfolglose Erfolgsguru jedoch sowohl seiner Familie als auch potenziellen Geschäftspartnern heillos auf die Nerven. Betroffen davon ist vor allem der ohnehin nervenschwache Onkel Frank, gefeuerter Literatur-Dozent und nach eigener Aussage Amerikas Proust-Kenner Nr. 1, der einen Selbstmordversuch hinter sich hat, nachdem er seinen Job an einen akademischen Konkurrenten verloren hat. In der Familie seiner Schwester Sheryl fühlt er sich reichlich deplatziert, einzig mit seinem pubertierenden Neffen Dwayne, in dessen Zimmer ein großes Nietzsche-Konterfei prangt, versteht er sich – auch wenn Dwayne kein Wort redet, weil er ein Schweigegelübde abgelegt hat, das er bis zum Eintritt in die US-Luftwaffe halten will. Schließlich ist da noch der Opa, ein gealterter Hippie, dem seine Neigung zu Sex, Drugs & Rock‘n’Roll gerade einen Rauswurf aus dem Seniorenheim beschert hat. Dieser steht seiner Enkelin als Tanz-Coach zur Seite, um sie fit zu machen für ihren großen Traum: an der Wahl zur „Little Miss Sunshine“ teilzunehmen. Dann trudelt die ersehnte Einladung zum Schönheitswettbewerb nach Kalifornien ein – was erstaunlich ist angesichts der Tatsache, dass Olive durchaus keine Kinderkatalogschönheit ist –, und die Hoovers machen sich auf den Weg, um ihrem Nesthäkchen seinen Herzenswunsch zu erfüllen. Wie es sich für ein Road Movie gehört, bleiben die Pannen auf dieser Reise nicht aus, und dass der VW-Bus der Familie bald nur noch anspringt, wenn man ihn eine Böschung herunterrollen lässt oder alle anschieben, ist dabei noch das geringste Problem. Die Mitglieder der ohnehin nicht vom Glück verwöhnten Familie piesacken sich nicht nur gegenseitig, sondern müssen zahlreiche bittere Tiefschläge einstecken – und entwickeln doch im Lauf der Reise eine Solidarität untereinander, die sie den schlimmsten Katastrophen und Niederlagen trotzen lässt. Ein überzeugenderes Hohelied auf die Familie als dieses freche, subversive Road Movie ist schon lange nicht mehr gesungen worden. Ohne Slapstick-Eskapaden oder peinliche Gags lebt der Film ganz von seinem vorzüglichen Drehbuch, das Charaktere wie Situationen liebevoll auf- und ausbaut, und einem hervorragenden Darstellerensemble, das die Figuren bei aller Komik nie der Lächerlichkeit oder albernen Klischees preisgibt. Neben Toni Collette, die den undankbaren Part der von großen Kindern umgebenen, genervten Mutter meistert und der abgespannten Sheryl Charme und Liebenswürdigkeit verleiht, glänzt vor allem Greg Kinnear, dessen traurig-sanfte Augen den zwanghaften Golden-Boy-Elan, den seine Figur sich zu eigen gemacht hat, konterkarieren. Die Entdeckung des Films ist freilich Abigail Breslin als Olive, die die kleine Miss Sunshine mit bezaubernder, lebensfroher Unbedarftheit und Fröhlichkeit ausstattet und doch auch eine Zartheit und Zerbrechlichkeit dieser beneidenswerten kindlichen Unschuld andeutet, die der Figur Format verleiht. Man wünscht sich von Herzen, dass das Diktat eintöniger Schönheitsideale und daraus resultierende Selbstzweifel, die immer mehr immer jüngere Frauen in Essstörungen oder zum Schönheitschirurgen treiben, von ihrer großen kleinen Heldin noch lange so herrlich abprallen, wie das im furiosen Finale der Fall ist.