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Filmkritik
Die Berliner U-Bahn-Linie 1 zwischen Bahnhof Zoo und Kreuzberg als Sammelbecken der Ausgeflippten dieser Szene-Hauptstadt: Penner, Junkies, Zuhälter, Selbstmörder und Stricher geben sich ein Stelldichein. Aber auch "Otto-Normalverbraucher"-Typen sitzen im Abteil: der genervte Ehemann samt hysterischer Gattin, die gestreßte Mutter mit ihren frechen Kindern und dem süffelnden Papa, Rentner, Arbeitslose, Gastarbeiter und die "braunen" Wilmersdorfer Nazi-Witwen, die die Pensionen ihrer Männer verleben. Dazwischen ziehen Polizisten und Kontrolleure ihre Kreise, und die "Wessie-Braut" Sunnie irrt als "roter Faden" durch diesen kunterbunten Mikrokosmos. Sie ist auf der Suche nach dem Vater ihres noch ungeborenen Kindes, einem Rocksänger, der in Kreuzberg leben soll. Bambi, ein "Stadtindianer", hilft ihr, Johnnie zu finden. Aber als sie ihn trifft, ist die Enttäuschung groß. Er hat schon eine "Lady". Und so zieht sie mit Kleister, dessen Freundin sich vor die U-Bahn geworfen hat, ins Happy-End.
Der dramaturgisch unmotivierte Schluß zeigt die Misere dieses deutschen Musical-Versuchs: es gibt keine funktionierende Geschichte. Durch die Fehlbesetzung des "roten Fadens" Sunnie mit der Berliner Kneipen-Entdeckung Inka Groetschel fallen die Lücken zwischen den Episoden nur noch stärker auf. Auf der Bühne mag diese musikalische Nummern-Revue des Berliner Grips-Theaters funktionieren, für ihre Umsetzung auf die Leinwand hätte es einer anderen inszenatorischen Fantasie bedurft. Kaum einmal löst sich die Kamera von den Personen und nutzt den (Studio-)Raum. Immer wenn sich die Tänzer auf die zurückfahrende Kamera zubewegen, scheint diese an eine Mauer zu stoßen. Aus ist es mit Bewegung und Schwung, was auch der Schnitt und die biedere Choreografie nicht kompensieren können. Auch der von der Bühne übernommene Kunstgriff, mehrere Rollen von einem Darsteller spielen zu lassen, verfehlt im Film weitgehend seine Wirkung. Die "Berufs-Jugendlichen" des Grips-Theaters wirken eher deplaziert. Daß die "Realität" des Films eine andere als die des Theaters ist, hatte Reinhard Hauff schon bei "Stammheim" nicht begriffen. Und da er den Stereo-Ton und das Playback nie in den Griff bekommt, bleibt aus Musical-Sicht nur das Lied der arbeitslosen Maria im Gedächtnis, die mit ihrem Trotz-alledem-Optimismus Mut macht. Hauffs sich an die "kaputte" Berliner Subkultur anbiedernder Inszenierungsstil nimmt dem Stück auch seine satirischen Schärfen, flüchtet sich häufig in eine allzu platte, am Rande zur Denunziation liegende Interpretation. Wie man Satire auf den Punkt bringt, zeigen allein die Gastauftritte von Dieter Hildebrandt und Hark Bohm. Ansonsten ist "Linie 1" ein typisch deutscher, steriler Gremienfilm, dem das mitproduzierende Fernsehen noch den (Kino-)Todesstoß gab.