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Filmkritik
Der Zitronenhain an der gut bewachten Grenze der Westbank zu Israel wirkt idyllisch, fast wie eine Oase. Ausgerechnet direkt gegenüber will der israelische Verteidigungsminister sein neues Domizil beziehen. Eine symbolträchtige Geste, die dem Sicherheitsdienst allerdings Kopfschmerzen bereitet. Denn wie soll verhindert werden, dass Terroristen den Schutz der Zitronenbäume nutzen, um Anschläge auf die Villa des Ministers zu verüben? Ganz einfach: indem man das Übel buchstäblich bei der Wurzel packt und die Bäume rodet. Eran Riklis zeigt in seinem neuen Film „Lemon Tree“ die absurde Teilung der Wohngebiete in einer beeindruckenden Parabel: Die palästinensische Witwe Salma bewirtschaftet diese Zitronenbäume direkt an der Grenze, die ihr Vater vor mehr als 50 Jahren gepflanzt hat. Als die Behörden die Abholzung der Bäume anordnen, wehrt sich Salma mit allen Mitteln. Sie geht bis zum israelischen Gerichtshof, und der Rechtsstreit wird zum politischen Modellkonflikt, in den sich zunehmend auch palästinensische Lokalpolitiker einschalten. „Lemon Tree“ gibt Einblick in einen absurden Mikrokosmos zwischen den Grenzen, zeigt zwei gegensätzliche Gesellschaften, zwischen deren Ansprüchen die Protagonistin zerrieben wird. Zunächst die des offiziellen Israels in Gestalt des Verteidigungsministers und seiner unzufriedenen Frau Mira, die immer mehr an ihrem Leben als Politikergattin und Gastgeberin repräsentativer Cocktailpartys im Grenzstreifen zweifelt. Aber auch Salma, die engagierte Witwe, wird sich ihrer Beschränkungen durch die traditionelle palästinensische Gesellschaft bewusst. Als sich zwischen ihr und ihrem jüngeren palästinensischen Anwalt Ziad eine starke Zuneigung entwickelt, ist das für ihre Familie mit dem Verhalten einer ehrenwerten Frau nicht mehr vereinbar. Das zeigt der Film ohne plakative Emotionalisierung. Ebenso subtil zeichnet er die Annäherung der „Nachbarinnen“ Salma und Mira, ein leises, gegenseitiges Verständnis in einem Konflikt, der von männlichen Wichtigtuern und Opportunisten bestimmt wird. Aber die Witwe und die Ministergattin wissen auch, dass es bei alledem um weitaus mehr geht als um die zahlreichen gelb leuchtenden Zitronen. Am Ende des langen Rechtsstreits steht ein Vergleich, der Witwe wird Recht gegeben, doch für sie ist es ein Pyrrhus-Sieg. An höchster Stelle wird ein wenig salomonisches Urteil gefällt, das die Absurdität der Situation im Nahen Osten noch einmal visuell unterstreicht. Denn dass der Konflikt niemandem dient, verdeutlicht das Schlussbild des Films: Der Minister wird von seiner Ehefrau verlassen, eine hohe Mauer trennt seinen Garten von den zurückgeschnittenen Zitronenbäumen der Witwe. Wenn es um den Nahost-Konflikt geht, mischen israelische Filme gerne Sarkasmus mit melancholischen, selbstironischen Momenten. Auch „Lemon Tree“ steht in dieser Tradition, zeigt über die persönliche Geschichte hinaus allgemeine Zusammenhänge und beschreibt die Widersprüche der eigenen Gesellschaft mit einer Mischung aus Distanz und Nähe, Poesie, Trauer, Wut und schwarzem Humor.