- RegieVolker Koepp
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2016
- Dauer127 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
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Filmkritik
Eine sanft geschwungene Hügellandschaft vor blauem Himmel. Langsam ziehen Wolken vorbei und schieben sich vor die Sonne, dann legen sich Schatten über die weite Flur. Dieses Motiv, mit dem Volker Koepp „Landstück“ eröffnet, darf durchaus als Metapher verstanden werden. Die Uckermark, jene dünn besiedelte, wald- und wasserreiche Gegend nordöstlich von Berlin, die Koepp seit langem als seine Wahlheimat betrachtet, ist keineswegs jene unangetastete Idylle, die der eilige Reisende hier vielleicht zu entdecken glaubt. Die zauberische Schönheit der Landschaft, die vor allem in der Vielfalt ihrer Details beruht, ist bedroht. Beides, das Faszinosum Uckermark und deren mehr als nur schleichende Zerstörung, werden in „Landstück“ thematisiert. Auch filmbiografisch schließt sich ein Kreis: Schon 1976 drehten Koepp und sein Kameramann Christian Lehmann hier die DEFA-Produktion „Das weite Land“. Die Zuneigung des Regisseurs zur Uckermark rührt aus dieser Zeit, dauert mithin ein halbes Leben. Koepp reflektiert über die Veränderungen der letzten 20 Jahre, befragt Nachbarn und Freunde, auch alte Damen, die seit Ewigkeiten hier zu Hause sind, und er ergreift Partei. Dass die Nachfolgeinstitution der Treuhand das ehemalige Staatseigentum an Landwirtschafts- und Forstfläche im Zuge der Privatisierung nicht selten an branchenfremde Investoren und Spekulanten verkaufte, auch an Möbelproduzenten oder Restpostenhändler, macht ihn betroffen. Die Bodenpreise haben sich inzwischen vervielfacht. Riesige Tiermastbetriebe und Biogasanlagen, dazu Windparks, vom Staat geförderte Golfplätze und Monokulturen, besonders der Anbau von Mais und Raps setzen der Erde zu. Der Humus verschwindet, die Böden können sich oft kaum noch erholen; zahllose Pflanzenarten, aber auch Tiere, die hier über Jahrhunderte ansässig waren, gehören schon jetzt der Vergangenheit an. Koepp hält dagegen. In seinem wie immer leisen, zurückhaltenden Kommentar breitet er zwar auch Zahlen und Fakten aus, versteht sich aber eher als ruhiger, zärtlicher Beobachter, als sanftmütiger Begleiter derjenigen, die sich der Zerstörungswut der industriellen Moderne mit Vernunft und Sachverstand entgegenstellen. So kommen in „Landstück“ Alteingesessene und Zugezogene, Landwirte und Umweltschützer zu Wort, die sich dem ökologischen Landbau verschrieben haben oder ihn fachlich begleiten. Koepp feiert das Prinzip Solidarität, die gemeinsame Kraft der vermeintlich Schwachen, die letztlich dazu beiträgt, ein Stück Kulturlandschaft für die Menschheit zu retten. Aus dem Ensemble seiner Gesprächspartner ragt vor allem der Biologe und Agrarwissenschaftler Michael Succow heraus, der mit seiner 1999 gegründeten Stiftung zum Schutz der Natur wesentlich hilft, ein neues Bewusstsein für alternative Modelle zur urbanisierten Welt zu schaffen. Succows Definition der Kulturlandschaft als Quelle geistig-seelischen Wohlbefindens, seine Haltung, die umweltgerechte Entwicklung sei der „einzig zukunftsfähige Pfad der menschlichen Zivilisation“, unterstützt der Film durch entsprechende Szenen. Die Kamera von Lotta Kilian begleitet Succow beim Entdecken kleiner Ackerwildkräuter, sie registriert seine Freude beim Aufspüren wilder Pflanzen und seinen Zorn, wenn er von sozialen und ökonomischen Verödungen spricht, von absurden globalen Geld- und Futtermitteltransfers, von der Zerstörung landwirtschaftlicher Räume in Afrika durch hoch subventionierte Exporte von Fleisch aus Europa. Das sei kein Fortschritt, sondern Unheil, und: „Ein Weitermachen geht nicht!“ So ist „Landstück“, mehr als andere Arbeiten von Volker Koepp, ein durchaus polemischer Dokumentarfilm, eine uckermärkische Fußnote zu den internationalen Umweltfilmen etwa eines Erwin Wagenhofer oder Michael Glawogger, gerichtet gegen die weltweit vernetzte Profitgier und den ihr innewohnenden Vertreibungs- und Vernichtungswahn. Ein Film, der Geschichten aus der Geschichte erzählt, um sie für die Zukunft nutzbar werden zu lassen. Kino, das trotz schöner Landschaftsbilder keine falsche Harmonie beschwört, sondern wachmacht für die Dringlichkeiten der Gegenwart.