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Filmplakat von Hive

Hive

84 min | Drama | FSK 12
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Fahrijes Ehemann wird seit dem Kosovo-Krieg vermisst. Um ihre Kinder zu versorgen, gründet sie ihr eigenes kleines Unternehmen, doch während sie gegen eine patriarchalische Gesellschaft kämpft, die sie nicht unterstützt, steht sie vor einer wichtigen Entscheidung: auf seine Rückkehr zu warten oder weiter durchzuhalten.

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Filmkritik

Ein seltenes Lächeln huscht über die Lippen der Witwe Fahrije. Sie hat die für sie so wichtige Führerscheinprüfung bestanden und der örtliche Frauenverein hat ein eigenes Auto angeschafft. Eine Frau am Steuer und ohne Begleitung neben einem männlichen Fahrlehrer – das Getratsche ist spätestens jetzt groß und die Männer der Stadt schauen missbilligend auf sie herab. In dem konservativen Dorf Krusha e Madhe im Süden des Kosovo dürfen Frauen weder arbeiten noch Auto fahren. Doch Fahrije muss ihre zwei Kinder und den kranken Schwiegervater irgendwie durchbringen. Der weist sie dennoch zurecht, sie müsse wissen, wo ihr Platz in der Familie sei. Ihr 1999 im Kosovokrieg verschleppter Ehemann Agim würde sich sicherlich für sie schämen, vermutet der Alte. Doch Fahrije muss stur bleiben, denn die Bienenstöcke ihres Ehemannes reichen kaum aus, um die Kosten der Familie zu decken.

Die kosovarische Filmemacherin Blerta Basholli erzählt in ihrem Debüt die wahre Geschichte von Fahrije Hoti, die nach dem Massaker des serbischen Militärs in ihrem Ort eine Kooperative gründete, um den Familien der vermissten Männer eine Perspektive für die Zukunft zu eröffnen. Der Ort wurde am 25. März 1999 von serbischen Truppen niedergebrannt und 140 Frauen wurden zu Witwen. Bis heute fehlt von 63 Menschen jede Spur. Weil ihnen in der patriarchalen Struktur des Ortes nichts anderes als das Kochen blieb, verkauften die Frauen hausgemachtes Aijvar. Doch selbst die Zusammenarbeit mit dem Supermarkt in der nächstgrößeren Stadt sorgt für Aufregung.

Als habe sie Leib und Seele verkauft

Basholli erzählt Fahrijes Geschichte als kontemplative Charakterstudie. Seit Jahren befindet sich diese Frau in einer emotionalen Schwebe: Der Wunsch nach Gewissheit über den vermutlichen Tod ihres Ehemannes und die Hoffnung, ihn doch wieder in die Arme schließen zu können, halten sich die Waage, was sie und ihre Familie in eine Schockstarre versetzt hat und die Zeit hat stillstehen lassen. Beklemmend ist das angespannte Schweigen, das ihr entgegenschlägt, wenn sie durch den Ort geht und weiß, dass sie wegen ihres Versuchs, die Familie mit redlicher Arbeit durchzubringen, schief angeschaut wird, als habe sie Leib und Seele verkauft.

Sie weiß, dass sie eigentlich Witwe ist, doch solange es keinen Beweis dafür gibt, kann sie auch in der Männergesellschaft nicht weitermachen. Nur nach und nach kann sie die Frauen im Dorf davon überzeugen, dass sie sich nur selbst aus dieser Sackgasse befreien können. Die ersten verkauften Waren versetzen sie in einen Freudentaumel, Rückschläge und Gegenwind aus dem Umfeld ertragen sie zum ersten Mal gemeinschaftlich und deshalb leichter. Mit der Geschäftigkeit der Frauen setzt eine neue Betriebsamkeit in dem von der Geschichte beschwerten Dorf ein und auch ihren Schwiegervater und die von der sturen Mutter peinlich berührte Tochter kann sie langsam für ihren Versuch gewinnen, die drei Generationen der Hinterbliebenen gemeinsam zu reaktivieren und offen mit Trauer, Wut und Verzweiflung umzugehen.

Weitermachen nach dem kollektiven Trauma

„Hive“ ist in gewisser Weise eine Erfolgsgeschichte, doch tut Basholli gut daran, Fahrijes Unternehmung nicht zu romantisieren. Zwar erzählt sie sozialrealistisch aus dem Leben dieser Frau und ihres Umfelds, das vom Feminismus vergessen worden zu sein scheint. Doch rutscht sie niemals ins Melodram, vielmehr rückt sie die verheerende Zerstörung eines ganzen sozialen Gefüges in den Fokus ihres Films und die immense gemeinschaftliche Anstrengung, derer es bedarf, um nach einem solchen kollektiven und persönlichen Trauma weiterzumachen.

So verleiht sie Fahrijes Geschichte mit viel Umsicht und einem Blick für globale Zusammenhänge eine komplexe Universalität, ohne ihre Persönlichkeit zu einem Klischee zu machen – ihr Film ist gleichermaßen eine Charakterstudie dieser willensstarken Frau und einer Dorfgemeinschaft auf der Suche nach Heilung. Auf dem Sundance-Filmfestival 2021 wurde ihr stiller und doch kraftvoller Film gleich mit drei Preisen ausgezeichnet.

Auf das Wesentliche konzentriert

Diese Gratwanderung zwischen Melodram und stilisiertem Happy End steht und fällt mit der Hauptdarstellerin Yllka Gashi, die Fahrije als stoische und sture Frau mit wenigen offensichtlichen Gefühlsregungen spielt. Doch lässt Gashi mit der Zeit durchschimmern, dass dies keineswegs eine verhärmte Frau ist, sondern dass Fahrije sich auf das Wesentliche konzentriert. Sie hat schlichtweg keine Zeit für das Lästern der Dorfältesten, liegt doch ein Berg an Arbeit vor ihr. Deshalb scheint sie auch damit aufgehört zu haben, die Leerstelle zu beweinen, die ihr Mann Agim hinterlassen hat – Basholli verzichtet hier bewusst auf Rückblenden, um diese Leere spürbar zu machen.

Nur in alltäglichen Momenten hält Fahrije kurz inne, etwa wenn sie ihre Tochter und den Großvater kurz beim liebevollen Betrachten des einzigen Fotos belauscht, das vom Vater übriggeblieben ist. Fahrije reflektiert Agims Sanftmut in alltäglichen Momenten, etwa wenn sie sich kurz erinnert, wie sehr er sich freute, als er die Bienenstöcke fertig gezimmert hatte, oder dass ihn die Bienen nie stachen, weil er so behutsam mit ihnen umging. „Er würde es verstehen,“ erzählt sie den anderen Frauen, beinahe so, als könnte sie ihrem Schwiegervater selbst offen Widerworte geben.

Erschienen auf filmdienst.deHiveVon: Sofia Glasl (25.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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