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Filmkritik
"Knock at the Cabin“ von M. Night Shyamalan beginnt mit einem Grashüpfer, leise und dennoch bedrohlich. Das filigrane Tier hängt an einem Blatt. Kleine Kinderhände greifen nach dem Tier und setzen es in ein Glas, wo schon andere sprungfreudige Artgenossen ihr Dasein fristen. Für sich betrachtet, ist das durchaus eine grausame Angelegenheit. Doch Wen (Kristen Cui) will den Tieren nicht weh tun. Das Mädchen möchte sie vielmehr untersuchen; es gibt ihnen Namen und macht sich Notizen über ihr Verhalten.
Es ist der kindliche Drang danach, die Welt zu begreifen, zu erkunden und zu erforschen. Das ist nachvollziehbar und zutiefst menschlich. Dennoch trägt dieser Wissensdurst das Übel schon in sich. Die Natur wird dem Menschen unterworfen, ist reines Objekt einer Verfügungsgewalt, die sich als Vernunft tarnt. Doch bevor man sich darüber weiter Gedanken machen kann, erscheint ein Bär von einem Mann (Dave Bautista) zwischen den Bäumen.
Allein schon dessen Erscheinung wirkt bedrohlich. Wie ein Felsmassiv, das durch das Grün bricht. Dieser Fremde stellt sich als Leonard vor und bietet mit einer die Bedrohlichkeit brechenden Sanftmut seine Freundschaft an. Zögerlich lässt sich die kleine Tierforscherin auf ein Gespräch über Grashüpfer und Lieblingsfilme ein. Einzig Leonards angespannter Blick in die Tiefe des Waldes lässt ein Unbehagen aufsteigen. Der Kipppunkt der sich gerade entspannenden Atmosphäre kündigt sich an.
Etwas tun müssen, was man nicht will
Leonard bittet Wen, in die Hütte zu gehen. Sie soll ihren (Adoptiv-)Eltern Eric (Jonathan Groff) und Andrew (Ben Aldridge) sagen, dass er und seine Freunde gleich um Einlass bitten werden. Im selben Atemzug folgt eine Entschuldigung: Das, was gleich passieren werde, was er tun müsse, würde er selbst nicht wollen.
Damit beginnt die eigentliche Geschichte von „Knock at the Cabin“: Der große Mann und seine drei Mitstreiter:innen verschaffen sich nach mehreren Versuchen der Freundlichkeit gewaltsam Zutritt zum Ferienhaus der kleinen Familie. Sie fesseln die beiden Väter an Stühle und stellen sie vor ein grausames Dilemma. Die Kleinfamilie wurde auserwählt, ein Opfer zu bringen; einer von ihnen muss geopfert werden, sonst drohe die Apokalypse, der Untergang der gesamten Menschheit.
Die Aufgabe des kleinen, individuellen Glücks für das Wohl der ganzen Menschheit? Genau das ist die ethische Versuchsanordnung, die Shyamalan hier wagt. Als Vorlage diente der Roman „Das Haus am Ende der Welt“ von Paul Tremblay. Natürlich wehren sich Eric und Andrew gegen dieses Szenario. Doch mit jedem Nein, mit jeder Verweigerung häufen sich die Zeichen, dass es sich bei den immerzu freundlichen Eindringlingen tatsächlich um die Boten der Apokalypse handeln könnte.
Was sich im ersten Moment nach einer ziemlich interessanten Ausgangsidee anhört, stolpert im Verlauf des Films jedoch immer wieder über die konstruierte Einfachheit des Drehbuchs. „Knock at the Cabin“ gleicht einem ethischen Gedankenexperiment aus einem philosophischen Proseminar, dass sich zwar als Home-Invasion-Kammerspiel aufzuhübschen versteht, in seiner kreisenden Redundanz jedoch in die Ermüdung führt.
Die Zweifel verpuffen
Nach den ungemein starken ersten Minuten, in denen Shyamalan eine ambivalente Spannung erzeugt, streckt sich der Film zu einem Witz, dessen Pointe endlos wiederholt wird; es wird schlicht viel zu viel geredet, gesprochen und gezeigt. Hier will jemand eine Botschaft unters Volk bringen. Der Thriller bricht darüber in sich zusammen. Die Zweifel, ob es sich vielleicht doch um eine wahnsinnige Sekte handelt, verpuffen angesichts einer Inszenierung, die wenig Zweifel zulässt und jede Ambivalenz unterbindet.
„Knock at the Cabin“ besitzt eine durchaus bestechende Visualität. Die Kamera wägt ab, pendelt zwischen den Polen hin und her, zweifelt gleichsam und kann sich nicht entscheiden. Häufig ist es der wuchtige Körper von Dave Bautista, an dem sich das Bild bricht, auch weil dessen Charakter der ewige Vermittler ist, aus dem man einfach nicht schlau werden will. Doch auch hier wiederholt sich das Problem der Wiederholung: Es passiert zu wenig in der Tiefe des Films.
Die Suspense-Momente treten zunehmend in den Hintergrund, weil sich Shyamalan in der Rolle des moralischen Mahners gefällt und sich selbst auf die Schulter klopft, den Film zur Klima-, Corona- und Weltkrise gedreht zu haben.
Eine reaktionäre Opferideologie
Neben einer gut gemeinten, aber kontraproduktiven Reflexion über Homosexualität und Gewalterfahrung fordert der Film mit penetrant mystisch-religiösem Pathos eine Demut ein, die bis ins naiv Reaktionäre ragt. Denn es kommt letztlich – so die Botschaft des Films – auf das individuelle Opfer an, das jeder in reiner Liebe erbringen müsse, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Eine Strategie, mit der sich die Politik seit Jahren aus der Affäre zieht: alles immer schön auf die Zivilgesellschaft abwälzen, ohne an den strukturellen Zwängen irgendetwas zu verändern.
Einen differenzierenden, machtkritischen Blick sucht man in „Knock at the Cabin“ vergebens. Es bleibt bei der Grashüpfer-im-Glas-Metapher des Anfangs, in dessen kalkulierenden Gleichnis-Charakter Shyamalan das Publikum einspannt: Wir, die Zuschauer:innen, sind die kleinen unschuldigen Tierchen, die sich gleichsam von außen durch den Film hindurch selbst beobachten sollen. Das ist in seiner selbstgefälligen Einfältigkeit schon ein ganz gehöriger Unsinn.