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Filmkritik
Die Schlussrede, mit der Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) den Mörder zu überführen gedenkt, läuft auf Warteschleife. Wieder und wieder schlägt der Meisterdetektiv einen rhetorischen Haken nach dem anderen, dreht eine weitere Extrarunde und hält mit seinem Südstaaten-Singsang das im Saal vor Erwartung erstarrte Publikum hin. Was dieses Publikum nicht weiß: dem Detektiv fehlt noch das letzte Puzzleteil, das seine eloquente, entlarvende, aber mit etwas zu viel rhetorischer Dekoration verzierte Rede zur Punktlandung bringt.
Die Schlussrede ist nicht allein eine Zusammenfassung der Ereignisse, sie lässt sich, zumindest auf der Meta-Ebene, ebenso gut als Zusammenfassung des Films lesen. Detective Blanc spricht die gleiche Sprache, die der Filmemacher Rian Johnson spricht: sie ist elegant und eigenwillig, den Zuhörern immer den nötigen Schritt voraus, nie darum verlegen, die eigene Cleverness zu garnieren, aber clever genug, um nicht der eigenen Hybris wegen das Ziel aus den Augen zu verlieren. Und überdies mit ab und an mit selbstironischen Zwischentöne gewürzt. Doch es fehlt eben etwas, so wie „Glass Onion“ etwas fehlt.
Die Lust an doppelbödigen Genre-Spielereien
Als modernisierter "Whodunit"-Film funktioniert der zweite Teil der Reihe letztlich exakt so wie der erste „Knives out“. Johnson macht das, was er schon einen Großteil seiner Karriere tut, angefangen mit dem High-School-Noir „Brick“ (2005) und der romantischen Trickbetrügerei „Brothers Bloom“ (2008) bis hin zu den ineinandergreifenden Zeitzirkeln aus „Looper“ (2012): Er konstruiert und überkonstruiert doppelbödige Genre-Spielereien.
Mit den „Knives Out“-Filmen ist er im „Whodunit“-Genre angekommen, das sich seinem Stil geradezu anschmiegt. Auch in „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ ist alles wie gehabt: Johnson haushaltet clever mit den Details und – obschon er dazu fast zweieinhalb Stunden braucht und entsprechend viel um den heißen Brei herumredet – landet treffsicher am Schlusspunkt seiner klassischen Krimigeschichte.
Diese kreist um den Tech-Milliardär Miles Bron (Edward Norton), genauer gesagt: um seine Insel. Bron lädt seine alten, vom „Who is Who“ Hollywoods verkörperten Wegbegleiter:innen ein, um ihnen dort mit einem Real-Live-Krimispiel den während der Massenquarantäne eingefrorenen Alltag zu versüßen. Der Film schließt nicht nur über die prominent in Szene gesetzten Pandemie-Befindlichkeiten an das Jetzt an, sondern bombardiert das Publikum unaufhörlich mit allem, was nach Zeitgenossenschaft aussieht. Der von Dave Bautista gespielte Duke Cody ist Twitch-Streamer, der mit antifeministischen „Red-Pill“-Reden eine riesige Zuhörerschaft anspricht. Der Meisterdetektiv Blanc vertreibt sich den Lockdown mit dem auf Streamingplattformen ebenfalls enorm populären Deduktions-Rollenspiel „Among Us“, und so weiter. Die Liste ließe sich lange fortsetzen, verblasst aber vor der noch längeren Namedropping-Liste: Gillian Flynn, Philip Glass, Banksy, Serena Williams, Jared Leto und viele andere dienen Johnson als Punchline-Geber im augenzwinkerndern Spaß, den die opulente Insel und der noch opulentere Glaszwiebel-Bau (wieder eine Referenz!) hergeben.
Alle Rädchen sind perfekt platziert
Es ist verblüffend, wie exakt Johnson seine Formel des modernisierten „Whodunit“, die „Knives Out“ zum Erfolg machte, in einem neuen, wenngleich nah verwandten Zeitgeist zu replizieren vermag. Die politische Geisteshaltung mag gleichermaßen schlicht und gefällig sein, aber strukturell sind alle Rädchen genau dort, wo sie hingehören. Allein der Detektiv ist neben dem als Running Gag platzierten bekifften Urlauber, ein nicht einkalkulierter, aber auf mysteriöse Art eben doch eingeladener Gast, der sich unter die Gäste des Milliardärs mischt. Dessen fürs Wochenende erdachtes Mordspiel ist entsprechend vorschnell gelöst und das angebliche Wochenend-Vorhaben damit beendet.
Doch noch bevor die tatsächlichen Hintergründe des Zusammentreffens enthüllt sind, passiert dann der unweigerliche tatsächliche Mord. Die Künstlichkeit der Prämisse ist im Film selbstverständlich schon mitgedacht, und so läuft die Maschine gut geölt und ohne Widerstand.
Einmal aus der Reihe tanzen
Was „Glass Onion“ abgeht, ist die Risikobereitschaft. Die Figuren sind schräg, aber eben auch brav genug; einzig Janelle Monáe und Kate Hudson stechen ein wenig aus der gesitteten Exzentrik hervor. Die Insel ist exotisch, aber vertraut genug ausgestattet; politisch wird nach oben ausgeteilt, aber verhalten genug, um nicht in der Mitte anzuecken. Alles und jeder sind allzeit auf ihrem zugewiesenen Platz. So sehr, dass man kaum etwas mehr vermisst als diejenige, die mal aus der Reihe tanzt.