Vorstellungen
Filmkritik
Zur Alltagserfahrung der meisten Menschen gehört, dass auf den Geruchssinn nicht immer Verlass ist. Das beginnt schon damit, dass der Mensch erheblich weniger Riechzellen besitzt als etwa ein Hund. Nicht alle Duftmoleküle erreichen die Nase, zumal man nur das riechen kann, was in der Nähe ist. Viele Dinge und Elemente verströmen überhaupt keinen Duft und können darum durch den Geruchssinn nicht wahrgenommen werden. Nicht zu vergessen die Schwierigkeit, Gerüche sprachlich präzise zu beschreiben: „Was riecht denn hier so komisch?“
Diese frustrierende Erfahrung, nicht die richtigen Worte für einen Duft (oder Gestank) zu finden, hat bestimmt jeder schon einmal gemacht. Manchmal setzt der Geruchssinn sogar ganz aus. Manchmal aber ist er so ausgeprägt, dass man seinen Lebensunterhalt mit ihm bestreiten kann. „Nasen“ heißen solche Zeitgenossen; eine davon steht im Mittelpunkt des Films „Parfum des Lebens“ von Grégory Magne.
Der Chauffeur und die Parfumeurin
Zunächst lernt man den Chauffeur Guillaume Favre (Grégory Montel) kennen. Bei Gericht kämpft er nach seiner Scheidung um das gemeinsame Sorgerecht für seine neunjährige Tochter Léa. Allerdings hat er nur ein Einzimmerappartement – wo soll das Mädchen schlafen? Eine größere Wohnung muss her. Sein Chef hingegen will ihn feuern, weil er bei einer Tour wieder einmal geblitzt wurde. Dann gibt es auch noch seine neueste Kundin, die anspruchsvolle, arrogante und undankbare Anne Walberg (Emmanuelle Devos). Früher war sie eine weltbekannte Parfüm-Designerin – bis sie ihren Geruchssinn für einige Monate verlor. Das beendete ihre Karriere.
Doch das erfährt man erst später. Jetzt muss sie sich damit begnügen, als Geruchsberaterin zu arbeiten. So soll sie zum Beispiel in einer bedeutenden Höhle mit prähistorischen Zeichnungen die Gerüche bestimmen, damit sie originalgetreu als Touristenattraktion nachgebaut werden kann. Ein anderes Mal verlangt ein Handtaschenhersteller im Elsass, den üblen Geruch von schlecht gegerbtem Leder zu neutralisieren. Favre mischt sich ungefragt in die Honorarverhandlung ein – und schlägt das Doppelte heraus. Kurzum: Er macht sich unentbehrlich und wird so zum ständigen Fahrer der schwierigen Frau, die schon so viele Fahrer vergrault hat. Walberg gibt ihm Tipps, wie er das Herz seiner entfremdeten Tochter gewinnen kann. Auf diese Weise wird Léas zehnter Geburtstag am Strand von Trouville, trotz des vielen Regens, doch noch ein Erfolg. Doch plötzlich, mitten bei einem wichtigen Auftrag, verliert Walberg wieder ihren Geruchssinn
Wer wen und warum riechen kann
Zwei höchst unterschiedliche Menschen, die sich anfangs nicht ausstehen können, raufen sich zusammen und lernen voneinander. Mit dieser Prämisse betritt „Parfum des Lebens“ sicher kein neues Terrain. Es geht dem Regisseur aber gar nicht so sehr um das Aufeinanderprallen von Gegensätzen. Auch die Diskussion unterschiedlicher Klassen, die durch das Machtgefälle zwischen mondäner Kundin und problembelastetem Chauffeur entsteht, interessiert die Inszenierung nur wenig. Hier geht es vor allem darum, dass zwei Menschen gemeinsam an einem Ziel arbeiten, das sie allein nicht hätten erreichen können.
Favre gelingt es, den Panzer von Walberg zu knacken. Sie wird im Umgang mit anderen Menschen lockerer und angenehmer. Er hingegen erweitert seinen Horizont. Dass das Kreieren von Düften, das Riechen überhaupt, so wichtig sein könnte, hätte er sich nie träumen lassen. Die genaue Beschreibung von Düften, ihre Mischung und Zusammenstellung wird von der Inszenierung zwar zelebriert, doch das Hauptgewicht liegt auf der Interaktion zwischen den Charakteren. Der Film begeht dabei nicht den Fehler, den Protagonisten eine Liebesgeschichte anzudichten. Ihre Beziehung konzentriert sich auf die sachliche Zusammenarbeit. Sehr viel lebendiger geht es zwischen Vater und Tochter zu, die sich auch erst kennenlernen müssen, um ein gemeinsames Ziel – das gelegentliche Zusammenleben – erreichen zu können.
„Parfum des Lebens“ ist eine leise Komödie, die sich – trotz Exzentrik und Fehlern – nie über ihre Figuren lustig macht. Einige Charaktere, etwa Sergi López als Professor, hätten vom Drehbuch mehr unterfüttert werden müssen; auf das märchenhafte, eilig dargebotene Ende wird der Zuschauer nur unzureichend vorbereitet. Doch das sind nur kleine Mäkeleien an ansonsten gelungener Unterhaltung.