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Filmkritik
Längst gehört Mädchen- bzw. Frauenfußball zur schönsten Nebensache der Welt: Sportvereine bieten die Disziplin an, Ligen haben sich etabliert, Nationalmannschaften suchen den Vergleich, in Amerika existiert bereits eine Profiliga. Sieg der Emanzipation und Weg in die Normalität? Vielleicht. Zumindest, wenn man in westlichen Maßstäben und Wertvorstellungen denkt. Doch wie sieht es in anderen Kulturen aus? Diese Frage zu stellen und gleichzeitig eine Antwort zu liefern, ist Anliegen der indisch-stämmigen, in England aufgewachsenen und arbeitenden Filmemacherin Gurinder Chadha („Picknick am Strand“, fd 30 753). Im Mittelpunkt ihres neuesten Film steht die 18-jährige Jess, Spross einer indischen Einwanderer-Familie, die es in England zu gehobenem Mittelstand gebracht hat. Dennoch ist der Mutter daran gelegen, die Töchter Pinky und Jess in indischen Traditionen zu erziehen, und das heißt in diesem Fall vor allem die Raffinesse der indischen Küche zu vermitteln. Die leicht durchtriebene Pinky, kurz vor einer standesgemäßen Hochzeit stehend, lässt das Pflichtprogramm über sich ergehen, der weit burschikoseren Jess steht der Sinn nach ihrer eigentlichen Leidenschaft: dem Fußballspiel, dem sie mit raubeinigen Jungs im Stadtpark frönt. Der Konflikt spitzt sich zu, als die trickgewandte indische Ballkünstlerin die Engländerin Jules kennen lernt, die in einer Mädchenmannschaft trainiert, von einem Vertrag in der amerikanischen Liga träumt und Jess zum Probetraining einlädt. Von nun an verläuft die Multikulti-Komödie wie geschmiert. Jess schießt sich mit ihren Flanken und Treffern ins Herz des Trainers Joe; die Familie kommt hinter ihre sportliche Neigung, die Pinkys Heirat zu gefährden droht; bald steht die Freundschaft zwischen Jess und Jules auf dem Spiel, da sie beide in ihren Trainer verknallt sind. Erst als die leidenschaftliche Sportlerin zur Familienräson gebracht werden soll, hat der Vater, selbst verhinderter Sportler, ein Einsehen: Jess darf am entscheidenden Spiel ihrer Mannschaft teilnehmen, schießt ihr Tor und erregt das Aufsehen eines amerikanischen Talent-Scouts. Ein „Feel-good-Movie“ im wahren Wortsinn, in das Gurinder Chadha alle Probleme ihrer indischen „Community“ hineinpackt, um sie schließlich in Wohlgefallen aufzulösen. Die schwierige Integration im Mutterland des Commonwealth wird ebenso angeschnitten wie selbstauferlegte Abschottung trotz des beruflichen Erfolges; sexuell angehauchte Probleme einer Mädchenfreundschaft tauchen ebenso auf wie die Darstellung indischer Tradition. Während die indische Mutter bejammert, dass sich ihr Kind in einen englischen „Underdog“ verliebt, ist Jules sportuninteressierte Mutter von der Sorge gebeutelt, ihre Tochter könnte lesbisch sein – schließlich umarmt man sich nach einem Torerfolg und hält sich nach einem verlorenen Spiel ebenfalls in den Armen. Homosexuelle Sportsfreunde und diverse andere Probleme verkomplizieren den Konfliktlage. Der Zuschauer bekommt diese geballte Ladung in recht humorvoller Weise präsentiert, wobei die Regisseurin die Kritik aushebelt, indem sie ihren Film mit verhalten eingesetzten Anleihen beim indischen „Bollywood“-Kino inszeniert. Orientalische Prachtentfaltung bei Familientreffen und Feiern stehen gegen englische Mittelmäßigkeit, surreale und surreal anmutende Szenen machen Positionen und Irritationen deutlich. Zu diesem Konzept gehört, dass mit Anupam Kher ein Star aus 270 „Bollywood“-Filmen auftritt, der sich prächtig in das recht geschickte Konzept zwischen Humor und konfliktbeladener Bedeutungsschwere einpasst. Auch die beiden jungen Frauen überzeugen in ihren Rollen, während sich alle anderen in ein enges Klischee-Korsett zwängen müssen – wohl auch das „Bollywood“. Der eigentliche Wermutstropfen des für europäische Verhältnisse außergewöhnlich farbenprächtigen Films sind die eigentlich wichtigsten Szenen des Films: die Sportaufnahmen. Hier sind der Regisseurin nicht mehr als Zeitlupenklischees, aufgesetzt wirkender Jubel und tonale Übertreibungen eingefallen. Auch die vielen Schnitte auf schöne Mädchenbeine und die heikle Frage, wie der Ball denn mit der Brust gestoppt werden kann, helfen dem Film im sportiven Bereich nicht weiter. So bleibt einer der besten Fußball-Filme nach wie vor „Fimpen, der Knirps“ (fd 18 861), in dem die schwedische Nationalmannschaft von 1973 zwar nicht durchweg schauspielerisch überzeugte, aber immerhin Fußball spielen konnte.