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Filmkritik
1830 km beträgt die Entfernung zwischen den Städten Ghom im Iran und Kandahar in Afghanistan. Die Route – eine gute Tagesreise – führt über eine Landesgrenze und eine Zeitzone. Zudem müssen Mautgebühren entrichtet werden. Allerdings ist der Actionfilm „Kandahar“ von Regisseur Ric Roman Waugh und Hauptdarsteller Gerard Butler ein geopolitisches Road Movie jener Art, in der Landesgrenzen, Zeitzonen und Mautgebühren keinen Platz haben.
Bevor sich der Film in Bewegung setzt, braucht es ein etwas umständliches Vorspiel, um die Regeln zu klären. Der CIA-Agent Tom Harris (Gerard Butler) und ein Kollege arbeiten getarnt als Schweizer Telekommunikationsexperten daran, den USA eine Möglichkeit zu verschaffen, sich ins iranische Atomprogramm einzuhacken. Harris ist zudem als Leiharbeiter tätig, der ursprünglich vom MI6 ausgebildet wurde, was vielleicht den auffälligen Akzent dieses eher schweigsamen Zeitgenossen erklärt. Als sie mitten in der Wüste von misstrauischen Revolutionsgarden überrascht werden, können Harris und Altman ihre Seriosität dadurch beweisen, dass sie eine Fußball-Übertragung in perfekter Qualität aufs Mobiltelefon zaubern.
Zuhause wartet die Tochter
Kurz darauf explodiert eine unterirdische Atomanlage, was Harris von einer Dachterrasse aus beobachtet. Seine Mission ist wieder einmal erfolgreich gewesen. Jetzt gilt es, möglichst schnell nach Hause zu kommen, zur Abschlussfeier seiner Tochter Ida. Denn Harris hat Familie – und die fühlte sich zuletzt eher im Schatten seiner Erfolge als Agent. Die Stimmung ist angespannt, zumal sein Heimflug Verspätung hat.
Diese Verspätung hängt wiederum mit einem Anschlussauftrag zusammen, der die Reaktion des Iran auf den Anschlag antizipiert und dessen Erledigung Harris’ Tochter möglichweise ein teures Medizinstudium ermöglichen würde. Als Unterstützung bei der heiklen Undercover-Mission wurde der Übersetzer Mo (Navid Negahban) angeheuert, der aus dem Exil zurückgekehrt ist, um nach dem Mörder seines Sohnes und nach dem Verbleib seiner Schwägerin zu suchen.
Doch damit das titelgebende Kandahar und damit Bewegung in den Film kommt, braucht es die Presse, die nicht nur von der CIA als Whistleblower wahrgenommen wird. Dadurch wird die CIA-Täterschaft am Anschlag im Iran öffentlich und zugleich auch die Identität der beteiligten Agenten, die sogleich ins Visier mehrerer Parteien geraten.
Um sich in Sicherheit zu bringen, sollen Harris und Mo sich zu einem geheimen MI-6-Flugplatz in der Nähe Kandahars durchschlagen; wobei das Problem nicht in der Entfernung, sondern darin besteht, was dazwischen liegt. Dieses „Dazwischen“ sei mit Berlin in Zeiten des Kalten Krieges vergleichbar, wird ihnen erläutert. Das erweist sich allerdings als arge Fehleinschätzung; denn Harris und Mo geraten nicht nur ins Visier des iranischen und pakistanischen Geheimdienstes, sondern bekommen es auch noch mit den Taliban und Resten des IS zu tun. Und mit Warlords, die gerne Gefangene machen, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen. Oder mit Schuljungen, die Sprengfallen an Transitstrecken besorgen. Schließlich tauchen auch noch Milizen auf, die sich als IS „verkleidet“ haben. Und, als wäre dies mit ständig wechselnden Bündnissen nicht schon unübersichtlich genug, vollzieht sich diese Gemengelage auch noch unter (fast) ständiger Beobachtung der CIA.
Ein Gerard-Butler-Vehikel
Dass die Action in diesem Gerard-Butler-Vehikel nicht so recht Fahrt aufnimmt, liegt auch daran, dass die wechselnden Gegenspieler sich immer hübsch hintanstellen, wenn ihr spezifischer Einsatz gerade wieder gescheitert ist. Am „lustigsten“ ist dies im Fall des campy-stylishen IS-Killers (Ali Fazal), der sich mit seinem Motorrad per Transporter in die Wüste fahren lässt, um die Flüchtenden zu jagen, und nebenher schon den Londoner Immobilienmarkt checkt, weil es sich im Westen besser tindern lässt. Der Killer als Popstar, ideologiefrei.
Diese Unübersichtlichkeit des geopolitischen Raums im Mittleren Ostens kommt „Kandahar“ sichtlich zupass, bleibt aber, zumal im direkten Vergleich zu von Guy Ritchies „Der Pakt“, zweitrangig. Das betrifft durch die redundanten Figurencharakterisierung zudem auch den Aspekt des Buddy-Movies zwischen den Männern. Nie steht in Frage, dass Harris es nicht nach Kandahar schaffen könnte. Die Frage ist allein, in welcher körperlichen Verfassung ihm dies gelingt. Dass Mo zwischenzeitlich dem Mörder seines Sohnes begegnet und auf Rache verzichtet, bleibt ebenso nebensächlich wie die Suche nach dem Verbleib seiner Schwägerin. Dieser Strang wurde zwischendurch schlicht vergessen. Als er kurz vor Schluss plötzlich doch wieder aufgegriffen wird, erscheint dies fast als Androhung eines Sequels.
Immer noch schlimmer
Wenn es zum Finale hin richtig eng zu werden droht, sind es die beobachtenden US-Amerikaner, die kurzerhand das große Besteck auspacken und klarstellen, wie die Alternative zum überstürzten Abzug aus Afghanistan ausgesehen hätte – oder jederzeit aussehen könnte. Auch hierin zeigt sich eine erstaunliche Parallele zu „Der Pakt“. Man kann sich weiterhin die Zeit mit Geheimdienst-Kleinklein-Nadelstichen vertreiben, wo schon ein Reifenschaden ein Problem darstellt. Oder aber zur Not ab und an den Luftschlag mit hohem Blutzoll wählen, damit das Kinopublikum an der Heimatfront sich entspannt im Kinosessel zurücklehnt. Wird ja schon nicht so schlimm werden.