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Filmkritik
An die "meistverfilmte Geschichte aller Zeiten" ist man - in leichter Abwandlung des Titels eines Jesus-Films - zu denken geneigt, wenn nach "Godspett" die Filmversion der Rock-Oper "Jesus Christ Superstar" auf die Leinwand kommt, auf Breitwand und mit Sechs-Kanal-Stereoton. Die Bibel hat Stoff für so viele Filme geboten wie kein anderes Buch. Die gegenwärtige Jesus-Film-Renaissance hat ihren Grund wohl in der Jesus-People-Bewegung der USA. Der Erfolg der Langspielplatte wird die Produzenten zu ihren Investitionen ermuntert haben. Regisseur Norman Jewison ("In der Hitze der Nacht", "Anatevka") schrieb nach dem Stoff der Oper von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Timothy Rice (Text) ein eigenes Drehbuch, ohne Einzelkenntnisse der Bibel, genügsam mit dem, was die Vorlage anbot. "Es ist kein religiöses Dokument", hat er von seinem Film gesagt, und dem kann kaum widersprochen werden, und auch: "Wir glauben nicht an den Gott Jesus, aber wir sind fasziniert von der Geschichte eines Mannes, dessen ungeheuerer Einfluß 2000 Jahre überdauert hat." Auch dieses Bekenntnis bewahrheitet sich im Film. In seiner Bearbeitung der Oper weicht Jewison bewußt vom Wege der mittelalterlichen Mysterienspiele ab. Er will keine Darstellung des Lebens Jesu in der Art von Oberammergau, keine vorgetäuschte Wirklichkeit, er will das spielerische Arrangement als verfremdendes Element erhalten wissen. So läßt er eine Gruppe junger Leute verschiedener Herkunft und Hautfarbe im Hippie-Look mit einem ausgedienten Autobus in die Wüste Negev fahren, dort in Ruinen antiker Bauten leben und Leiden und Tod Jesu spielen. Nach der Kreuzigung läßt er seine Akteure, jetzt sehr nachdenklich gestimmt, den alten Thespiskarren wieder besteigen und entschwinden. - Die Lebensgeschichte Jesu präsentiert sich als aufwendig angelegtes Spektakulum in einer kargen, aber imposanten Landschaft. Absichtlich werden Gegenwartsbezüge hergestellt: bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel vermeint der Zuschauer, in einem gegenwärtigen orientalischen Bazar zu sein; die Wachen des Pilatus tragen Militärhosen, Fallschirmjägerhelme und Maschinenpistolen; in die Gewissensqualen des Judas brechen Panzer und Flugzeuge aus dem Nahost-Krieg ein. Jesus trägt das überkommene weiße Wollgewand, doch das Volk erscheint wie eine Menge beim Treffen der Blumenkinder von Woodstock. Regie und Kamera entwickeln einen bemerkenswerten Einfallsreichtum. Die Effekte, auch im Trick, brillieren. Beeindruckend das Aufgebot erstklassiger Darsteller - sämtlich hervorragende Sänger. Unsichtbar bleibt das Orchester, das die mitreißende Musik für das Playback-Band produzierte. Die Kamera fängt Bilder von einmaliger Schönheit ein, wobei Sonnenuntergänge in der Wüste und ähnliches für deutsche Zuschauer die Grenze des Kitsches erreichen oder gar überschreiten mögen. Auch die Regie vermag die Schranke des noch Erträglichen für den Geschmack des deutschen Zuschauers nicht zuverlässig abzustecken. - Die Frage, ob in diesem technisch und optisch durchweg bemerkenswert arrangierten Spiel - zum ersten Mal die Leidensgeschichte als Oper - auch religiöse, zumindest ethische Werte mittransportiert werden, ist nicht eindeutig zu beantworten. Das hängt von der Disposition des einzelnen Zuschauers ab. Auf keinen Fall kann er jedoch Nachhilfeunterricht in Bibelkunde bieten. Dafür geht er mit der Lebensgeschichte Jesu zu frei um, und die zentrale Aussage christlichen Glaubens, die Auferstehung, wird ignoriert. Von der Überakzentuierung des Judas als eines Gegenhelden bis zur Playboy-Karikatur des Herodes enthält er zu viel freie Zutaten. Daß die vielfältigen optischen und akustischen Eindrücke Anstöße zum Gespräch bieten, vor allem für jene, die ohnehin in dieser Richtung ansprechbar sind, ist durchaus möglich. Ob er anderen die Begegnung mit Jesus, und sei es auch nur mit dem Menschen Jesus, vermitteln kann, erscheint fraglich. Ist dieses Opus nun ein blasphemischer Film, wie ihm schon vor seinem Start vorgeworfen wurde? Auf keinen Fall. Sicher ein Film mit verkürzter Theologie. Möglicherweise ein Film, der religiöse Anstöße vermitteln kann. Bestimmt aber ein Film, der Beat-Enthusiasten auf ihre Kosten kommen läßt. Das ist für das Thema und den Aufwand allerdings ein bißchen wenig.