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Filmkritik
Samidha (Megan Suri) zögert kurz, ob sie über ihr Selfie einen Filter legen soll, der sie weißer machen würde. Letztlich entscheidet sie sich zwar dagegen, doch die Transformation der Tochter indischer Einwanderer in ein All American Girl ist trotzdem schon weit fortgeschritten. Statt sich für die Kultur ihrer Eltern zu interessieren, will das Mädchen einfach nur ein normaler US-Teenager sein. Ihren Namen hat sie längst zu Sam verkürzt, und das Traditionsbewusstsein ihrer noch fest in der Heimat verwurzelten Mutter (Neeru Bajwa) quittiert sie nur mit einem Augenrollen.
Sams Anpassung bewegt sich mitunter nahe an der Selbstverleugnung. Indem sie etwa die dunklen Härchen auf ihrem Unterarm rasiert, versucht sie die äußerlichen Unterschiede zu ihren weißen Mitschülerinnen auf ein Minimum zu reduzieren. Der Horrorfilm „It Lives Inside“ von Bishal Dutta schöpft sein Unbehagen zunächst aus ihrem Drang, dazuzugehören. Besonders ausgeprägt ist Sam Sehnsucht auch deshalb, weil sie in einer nicht sonderlich diversen US-Kleinstadt lebt, in der alles unheimlich aufgeräumt aussieht und eine Nachbarschaftswache für Ordnung sorgt.
Grotesker Spiegel des Verdrängten
Das Grauen resultiert zunächst aus der Abweichung von der Norm. Was die Protagonistin früher noch aus der Gleichförmigkeit der Gemeinde herausstechen ließ, verkörpert nun ihre frühere Freundin Tamira (Mohana Krishnan). Wegen ihrer schlampig ins Gesicht hängenden Haare, der gekrümmten Haltung und ihrer seltsam verschlossenen Art ist den Mitschülern schon ihre Anwesenheit unangenehm. Für Sam aber ist es dies im Übermaß, weil alles, was sie geradezu panisch unterdrückt, um nicht anzuecken oder aufzufallen, durch Tamira grotesk überzeichnet in Erscheinung tritt.
Konkreter wird die Bedrohung durch ein dunkles Einmachglas, das Tamira ängstlich hütet und das einen fleischfressenden Dämon aus der hinduistischen Mythologie enthalten soll. Als das Glas bei einem Streit zu Bruch geht und der sogenannte Pishacha freigesetzt wird, geht es den Menschen aus Sams Umfeld tatsächlich bald an den Kragen.
„It Lives Inside“ setzt dabei auf die weise Entscheidung, das Monster noch eine ganze Weile unsichtbar zu lassen. Die Angst vor der dunklen Präsenz vermischt sich mit Sams Identitätskrise und ihren nagenden Schuldgefühlen, der ehemals besten Freundin Tamira aus Gruppenzwang den Laufpass gegeben zu haben.
Hindi-Verse gegen das Monster
Regisseur Bishal Dutta verleiht der im Horrorgenre beliebten Geschichte um eine gequälte Teenager-Seele durch Sams migrantische Identität und die Kreatur aus der hinduistischen Mythologie einen frischen Zugang. Teilweise geht diese Selbstsuche allerdings zu mustergültig in der Genre-Handlung auf. Um den Pishacha hervorzulocken und bekämpfen zu können, muss sich das Mädchen mit seinen Wurzeln beschäftigen. Sam kleidet sich in traditionelle Gewänder, kocht mit ihrer Mutter Opfergaben und lernt auf Hindi Verse, mit denen sich das Monster bekämpfen lässt. Konnte sie zunächst noch auf Partys gehen, an einem Joint ziehen und mit dem Mitschüler Russ (Gage Marsh) knutschen, fühlt sich ihre Rückbesinnung auf Tradition und Familie keineswegs befreiend an.
Dass der Film das Dilemma der Protagonistin nicht immer originell aufzulösen versteht, ändert nichts daran, dass Dutta sein Handwerk beherrscht. Statt Sams Identitätskrise lediglich mit ein paar Genre-Elementen auszustaffieren, ist „It Lives Inside“ ein über weite Strecken in sich schlüssiger und gekonnt inszenierter Horrorfilm. Von Anfang an zieht seine klaustrophobische Stimmung in ihren Bann. Dutta weiß, wie man eine unheimliche Situation kreiert und ihre Spannung ausreizt. Die lähmende Ohnmacht der Figuren gegenüber dem Pishacha, dessen Präsenz mal nur als Schatten, mal durch das markerschütternd krachende Geräusch eines Lichtsensors wahrnehmbar ist, lässt die Inszenierung hautnah spüren.
Ein schleichendes Unbehagen
Durch Sams innere Zerrissenheit ist das Grauen stets eng mit der Hauptfigur verknüpft. Die Darstellerin Megan Suri hat entscheidenden Anteil an der beklemmenden Stimmung des Films. Sie verkörpert das schleichende Unbehagen mit körperlicher Anspannung und großen, ausdrucksstarken Augen. Lange bevor man das fürs geringe Filmbudget recht eindrucksvolle Monster zu Gesicht bekommt, spiegelt sich dessen Schauderhaftigkeit in ihrem angsterfüllten Gesicht.