In "Iraqi Odyssey" erzählt der bekannte schweizerisch-irakische Regisseur Samir nicht nur seine eigene Familiengeschichte. Indem er ihre Erinnerungen an die liberale und aufgeschlossene Ära ihrer Heimat in den 50er bis 70er Jahren in Bilder fasst, die mit dem aktuellen Weltbild eines vom Krieg gezeichneten und von fundamentalistischen Lehren geprägten Landes nichts gemein haben, erzählt er auch die Geschichte des Iraks und seiner Bevölkerung, von der gut ein Fünftel in der Diaspora lebt. (v.f.)
Wie konnte es soweit kommen? Verstreut zwischen Auckland, Moskau, New York und London, erzählt Samir die Geschichte seiner globalisierten irakischen Mittelstandsfamilie. Auto-Bomben gegen Amerikaner. Wütende Kriegserklärungen von bärtigen Männern mit Turban auf dem Kopf. Schluchzende und schreiende, in lange schwarze Umhänge gekleidete Frauen. Kaputte staubige Stadtlandschaften mit kargen Pflanzen und verlotterten Fahrzeugen. Bilder aus den Nachrichten des Irak von heute. Dagegen stehen Erinnerungen einer Familie aus den fünfziger und siebziger Jahre: Schöne Frauen in schicken westlichen Kleidern, studieren an der Universität Medizin und werden von zuvorkommenden Männer in eleganten Anzügen und Krawatte begleitet. Rote Doppeldecker-Busse fahren im fünf Minuten Takt durch eine moderne Stadt. Erste Hochhäuser werden gebaut und am Tigrisufer werden öffentliche Parkanlagen erstellt. Überall ist moderne arabische Musik zu hören, von berühmten Sängerinnen und Sänger aus dem Libanon und Ägypten. In den Kinos laufen amerikanische, indische und arabische Filme, ohne Zensur, und die Zuschauer ergötzen sich an gesellschaftskritischen Dramen, frechen Komödien und frivolen Musicals. Die aufstrebende Mittelklasse liess sich in den 50er Jahren durch die armen Leute, die vom Land in die Stadt zogen, und die wenigen Bettler im Stadtbild, nicht beirren. Trotz Demonstrationen und Kritik an der kolonialen Tradition des Westens, lag eine erfrischende Stimmung in der Luft: der Glaube an den Fortschritt und die Teilhabe an der Moderne. Der arabische Ausdruck dafür war "Nahda". Damit war eine "Renaissance", oder "Wiedergeburt" der arabischen Welt gemeint. Fünfzig Jahre später ist nichts mehr übrig von diesen Träumen. Vierzig Jahre Diktatur, dreissig Jahre Krieg, zehn Jahre Embargo und der Auszug der gesamten gebildeten Mittelklasse haben zum Ruin eines Landes geführt, und es zum Tummelfeld von religiös-politischen Terroristen und Warlords gemacht. Niemand kennt die Zahlen genau, aber heute leben zwischen vier bis fünf Millionen Irakis ausserhalb ihres Landes.
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2016
- Dauer96 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
Vorstellungen
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