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Filmkritik
Ein Haus in Rom, ein offenes Fenster. Zigarettenrauch wirbelt daraus hervor. Wer da unsichtbar hinter den Vorhängen sitzt und atmet, ist offensichtlich die von Vicky Krieps verkörperte Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Wie oft hat man solchen Rauch schon im Vorbeigehen gesehen und sich gedacht: Wer weiß, wer da lebt? Aber was weiß man schon von diesem Menschen, seinen Gedanken und seiner Seele?
Dieser so unauffällige wie poetische Zwischenschnitt in „Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste“ wirkt einerseits wie ein allzu deutlicher Vorgriff auf den späteren Tod der Autorin, die mit einer Zigarette ihr Bett in Brand setzte; andererseits kommt dieses Bild dem Sujet des Films und seinem Bemühen womöglich noch am nächsten: der Schriftstellerin und ihren Sprach- und Denkbewegungen kein Denkmal zu errichten, sondern nur vorübergehend und spekulativ Gestalt zu geben.
Selbstbewusstsein & Sprachskepsis
So jedenfalls könnte man seinen Frieden machen mit diesem seltsamen Werk, wenn es nicht zugleich so behauptend und ratlos wäre. Denn die Regisseurin Margarethe von Trotta, deren Markenzeichen Filme über Frauen sind, die man gemeinhin „stark“ nennt und die sich in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen, interessiert sich nur wenig für die Sprachkünstlerin Bachmann. Von Trottas Augenmerk gilt vor allem der Dichterin als gut gekleidetem Beispiel einer unglücklich Liebenden, die sich ihre Unabhängigkeit als intellektuelle Frau zurückerkämpft und „sich befreit“, wie von Trotta sagt. Vermutlich war Bachmanns wirkmächtiges Leben zwischen Selbstbewusstsein und Sprachskepsis nie ein „befreites“. Aber wenn der biografische Fokus einzig ein bestimmter Mann ist, lässt sich schon irgendwie eine Starke-Frau-Befreiungsgeschichte daraus stricken. Der Film erzählt davon in zwei gegenläufigen, in Rückblenden miteinander montierten Strängen. Das klingt elegant, doch die Umsetzung holpert gewaltig.
Da ist zum einen die titelgebende Reise in die ägyptische Wüste. Diese unternimmt die seelisch und körperlich geschwächte Bachmann zusammen mit dem jungen Schriftsteller Adolf Opel (Tobias Resch). Opel hatte Bachmann zuvor in Berlin besucht und sie spontan eingeladen, ihn auf seiner Recherchetour zu begleiten. Bachmann hatte ebenso spontan zugesagt.
Fast so, als handele es sich dabei um einen rettenden Strohhalm vor dem endgültigen Ertrinken. Kein Wunder: Denn in Berlin, haucht Krieps müde, sei jeder Tag so grau, „da kann man nicht schlafen und da kann man nicht aufstehen“. Sie will die Hitze, die „Gefahr“, den Gruppensex. Der wird dann wie ein ornamentales Halbrelief Streichelnder und Küssender freundlich in Szene gesetzt. Danach hüpft Krieps „Whoo-hooo“ rufend durch den Sand.
Trip in eine seelische Wüstenei
Von der unfreiwilligen Komik dieses Films ist nach der Uraufführung schon geschrieben worden. Sie dürfte vor allem am unausgegorenen Rhythmus liegen, mit dem der zweite Erzählstrang merkwürdig lasch in den ersten eingearbeitet wird. Vom pittoresk ausgeleuchteten Ägypten aus (gedreht wurde in Jordanien) erinnert sich Bachmann in Rückblenden an eine andere Reise, einen Trip in eine seelische Wüstenei. So jedenfalls erscheint die anfangs noch recht befruchtende Beziehung zu dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch.
Vom Kennenlernen in Paris bis zur endgültigen Trennung an Bachmanns Krankenbett verkörpert Ronald Zehrfeld den von Bachmanns Freund Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) verächtlich „Biedermann“ genannten Schriftsteller mit monolithischer Präsenz. Von seinem anfangs sanften, ehrfürchtigen Werben lässt sich Bachmann gerne und sogar leicht herablassend umfangen; sie weiß ja, dass sie der größere Star ist.
Frisch ringt andeutungsweise mit Komplexen und Selbstkritik, muss dann aber doch vor allem den ältlichen Patriarchen geben, mit Hang zu Eifersucht, Neid und Härte. Dass Krieps’ lieblich-durchscheinende Bachmann-Version an ihm festhält, ihm erst nach Zürich folgt und dann in „ihrem“ Rom das Zusammenleben mit Frisch versucht, obwohl ihre Kreativität schon bald unter ihm und seiner hämmernden Schreibmaschine („deine Kalaschnikow!“) leidet, bleibt in seiner schweren Nachvollziehbarkeit einfach im Raum stehen. Eine Privatsache? Oder auch eine politische, zeitgeistige?
Streit um den Abspüldienst
Von Trotta bleibt unentschlossen, obwohl sie Bachmann-Sätze wie „Der Faschismus ist das Erste in der Beziehung zwischen Mann und Frau “oder „In dieser Gesellschaft ist immer Krieg“ aufsagen lässt. Im Grunde sei jeder allein in seinen „unübersetzbaren Gedanken und Gefühlen“. Der Film versucht eine Übersetzung, ohne dabei die aus Briefen und anderen Zeugnissen zusammengestellten Texte wirklich von der Leine zu lassen. Es wird übers Geschirrabspülen gestritten und über vermeintliche Blumensträuße fremder Männer, aber solches Gezänk haucht den wie verwaschen dahingesagt wirkenden Sätzen kaum Leben ein.
Zur Illustration des oft operettenhaften Gebarens der Figuren scheut von Trotta auch vor melodramatischer Streichermusik nicht zurück. Die Chance, Bachmanns musikalischen Verstand als eine weitere Facette auf der Tonebene greifbarer zu machen, wird verschenkt. Ihre Dialoge mit dem Komponisten Henze, für den sie Libretti schrieb, beschränken sich hier auf Frau-spricht-mit-bestem-schwulem-Freund-Vibes. Da hätte man sich doch eher gewünscht, dass es von Trotta gleich richtig übertreibt und eine Sitcom daraus macht.
Eine alltäglich-destruktive Beziehung
So aber setzt die Inszenierung mit dem Gestus des Schwerwiegenden emotionale Akzente, bleibt aber in der psychologischen Ausarbeitung der Charaktere erstaunlich oberflächlich. Manchmal scheinen die schön ausstaffierten und vom Kameramann Martin Gschlacht ordentlich ausbalancierten Szenen lediglich das Stichwort zu liefern, um irgendwie den Sprung in den anderen Erzählstrang zu legitimieren, was oft retardierend und willkürlich anmutet und weder Spannung noch Erkenntnisgewinn bringt.
Nach der Premiere im Wettbewerb der Berlinale waren die Reaktionen verhalten bis vernichtend. Auf ein Problem bei der Entstehung des in sechs Ländern gedrehten Films wies die Regisseurin damals selbst hin. Der im Herbst 2022 gegen den ausdrücklichen Willen von Ingeborg Bachmann veröffentlichte tausendseitige Briefwechsel zwischen ihr und Max Frisch sei ihr vom Suhrkamp-Verlag nicht vorab zur Verfügung gestellt worden. Das ist bedauerlich, denn die Briefe rücken manche Mythen zurecht und verhelfen zu einem differenzierteren Blick auf die Dynamik dieser Passion. Doch ob bei Kenntnis dieses Materials wirklich ein anderer, besserer Film entstanden wäre? Das ist zumindest fraglich, weil von Trotta in den Spuren, die Bachmann in die Welt hinaus atmete, nichts anderes zu suchen und zu finden bereit scheint als eine destruktive Beziehung nach einem Drehbuch, wie es der Alltag millionenfach schreibt.