- RegieFelix Schäfer
- Dauer98 Minuten
- GenreDrama
Vorstellungen
Filmkritik
Eine Million Follower ist das erklärte Ziel des Seminars. Knapp ein Dutzend Influencer, Geschäftsleute und lernende Selbstvermarkter haben sich im Dschungel Thailands versammelt, um sich mit Hilfe von sozialen Medien in Richtung von Reichtum und Erfolg zu stemmen – komme, was wolle.
Wie „Influenza“ über eben dieses Streben denkt, verrät schon der Titel. Der so jämmerlich abgedroschene wie zynische Vortrag des Seminarleiters Sebastian (selbst gespielt von Regisseur, Autor und Produzent Felix Schäfer) setzt noch einmal einen Strich darunter: Die Infektionskrankheit ist nicht nur phonetisch, sondern auch fast deckungsgleich mit den öffentlichen Personen, die an der Spitze der „Zivilisationskrankheit“ der sozialen Medien stehen. Beide suchen nichts anderes als effektive Wege, andere zu infizieren. Die Doppeldeutigkeit bekommt noch eine Extradosis Zeitbezug durch Masken, die ein paar der Teilnehmer tragen und den trockenen Husten, den einer von ihnen unter dem Protest anderer ohne Scham rauslässt. Der Weg zum Horrorfilm ist also gleich in mehrere Richtungen geebnet. Keine davon verfolgt „Influenza“ wirklich.
Satirische Hiebe gegen die Social-Media-Selbstinszenierung
So offensichtlich es ist, was Felix Schäfers Film sein möchte, so schwer fällt es, zu sagen, was er tatsächlich ist. Schon in der zweiten Szene ist die Doppeldeutigkeit vergessen, die im Titel des Films steckt. Die mit Masken, Streits und Verschwörungs-Diskussionen direkt ins Zentrum gerückte Covid-19-Pandemie ist eine Seminar-Sitzung später völlig vergessen. Bleiben die satirischen Hiebe gegen die Welt der Social-Media-Selbstinszenierung, die hier gelernt werden soll. Motivationscoach-Abziehbild Sebastian hält einen manipulativen Vortrag nach dem anderen und bringt sukzessive nicht nur den Marketing-interessierten Bordellbetreiber, sondern auch die Lifestyle-Feministin und den Achtsamkeits- und Nachhaltigkeits-Hipster auf Linie.
Einzig Protagonistin Mia (Nadia Marlinde), eine Journalistin, hält mit Menschenwürde und Co. dagegen. Technisch gesehen steht sie damit auf der richtigen Seite der Geschichte, doch „Influenza“ hat gerade einmal genug Interesse an seinem Sujet, um es mit bequemstem Zynismus abzuwatschen. Niemand möchte hier im Dschungel von Thailand viel mehr von den anderen, als das eine oder andere gemeinsame Foto, das Follows und Likes für das eigene Ego und den eigenen Erfolg bringt. Ein Gestus, mit dem der satirische Teil des Films einige Pirouetten dreht. Bis die Hexerei zum Thema wird. Den Weg zur Million ebnen nämlich nicht nur Menschenverachtung und die Ausschlachtung der eigenen Würde, sondern auch die dunkle Macht. So zumindest der spontane Vorschlag von Sebastian, dem die ohnehin nur als Exempel der Verkommenheit gezeichneten Figuren nichts entgegenzusetzen haben.
Die Geister der Influencer suchen die Gruppe heim
Also stiefelt die Gruppe, nur bewaffnet mit den eigenen Smartphones, in den Dschungel. Das dort erwartete Ritual bleibt erst einmal aus. Das Ressort aber hat sich, als die Gruppe zurückkehrt, in eine halb verfallene Geisterwelt verwandelt. Die Geister sind alle jene Influencer, die von der Sucht nach Anerkennung und dem Hass anderer in den Selbstmord getrieben wurden. Nach zig Variationen der immer gleichen Seminarsitzung suchen diese Geister nun die Gruppe heim.
Die Regeln des Spuks sind, so fahrig sie skizziert werden, doch einigermaßen verführerisch: alle müssen stündlich Selfies machen und mit dem Bild an einer Ja-/Nein-Umfrage teilnehmen. Ein einfaches „Do you like my content?“ und ein grenzübertretendes „Do you want to fuck me?“ tragen dabei die gleiche Konsequenz: wer die wenigsten Zustimmungen erhält, stirbt. Wer flieht, stirbt ebenfalls. Ein Prinzip, über das der Film schnell wieder stolpert, als sich der Fotoblitz der Smartphones als effektive Abwehr gegen die schlecht animierten Geister der Influencer bewährt. Die getrennte Gruppe segnet dann nicht entsprechend der Spielregeln, sondern irgendwie und irgendwo nacheinander das Zeitliche.
Es fehlt jegliche Konsequenz
„Influenza“ fehlt schlichtweg jegliche Konsequenz. Kein Mord bringt wirklichen Horror, kein Geist vermag wirklich zu verstören, kein Hieb gegen die sozialen Medien hat etwas hinter sich, kein Gimmick überlebt in der Erzählung, nichts sticht aus der Beliebigkeit des Ganzen heraus. Gestorben wird off-screen, ohne Spannung, Grauen oder Tragik. Mias Einfall, dass man sich retten könne, würde man doch nur die Smartphones weglegen, verweist noch einmal auf das Grundproblem, dockt aber wie der Rest des Films weder diskursiv noch dramaturgisch wirklich irgendwo an.
Die Business-Seminar-Posen, wiedergekäuten Pandemie- und Wokeness-Dialoge und die zynischen Selbstinszenierungen sind nie Gesprächsangebot, sondern immer Wegwerf-Momente, die im besten Fall als witzig durchgehen. Die dazugehörige Horror-Ästhetik ist ein konturloser Matsch, in dem sich weder die Satire noch der Horror wirklich gut erkennen lässt. Die Geister, die das Seminar schließlich heimsuchen, huschen als hässliche digitale Seifenblasen durch das Bild. Ihr Tod und der Tod, den sie bringen, haben dabei ebenso wenig Konsequenz wie die versprochene Million Follower.