Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die US-amerikanischen „Faith-based Movies“ für eine dezidiert christlich-konservative Zielgruppe gelangen eher selten nach Europa. Außerhalb ihres kleinen Soziotops stoßen sie in der Regel auf Desinteresse oder sogar Spott. „Stars“ wie Kevin Sorbo, David A.R. White und Kirk Cameron locken auf dieser Seite des Atlantiks nicht gerade Massen ins Kino. Dass „Infidel“ von Cyrus Nowrasteh es dennoch geschafft hat, resultiert aus seinem Genre. Die Märtyrererzählung kommt im Gewand eines konventionellen Politthrillers daher. Bemerkenswert an „Infidel“ ist vor allem, wie wenig sich der Film dabei ästhetisch und erzählerisch von vergleichbaren Mainstream-Produktion unterscheidet.
Alles wirkt lediglich ein wenig billiger und enger, die Bilder umfassen die Figuren eher wie schlechtsitzende Kleidung. Zudem drohen die visuellen und auditiven Zeichen des Islams schon im Vorspann noch etwas grimmiger als anderswo. Das hat mit der angeblich von wahren Ereignissen inspirierten Geschichte zu tun; der christliche Blogger Doug Rawlins (James Caviezel) wird nach einem Vortrag in Kairo von der Hisbollah zunächst in den Libanon entführt und dann in einem iranischen Gefängnis festgehalten. Seine Ehefrau Elizabeth (Claudia Karvan), eine Mitarbeiterin des US-Außenministeriums, versucht ihn mit allen Mitteln zu befreien, auch gegen die Widerstände ihrer Vorgesetzten.
Der Glaube als Werkzeug der Macht
„Infidel“ ist in etwa so sehr von wahren Ereignissen inspiriert wie homöopathische Arzneimittel von ihrem ursprünglichen Wirkstoff. Es gibt sicher eine entfernte Beziehung zwischen Filmhandlung und Wirklichkeit, aber jegliches Gefühl von Authentizität muss dem Placebo-Effekt zugeschrieben werden. Der Regisseur verweist auf Fälle wie die von Robert Levinson, Michael White und Robin Shahini, die allerdings auch mit viel Wohlwollen nicht jene krude Angstfantasie formen, wie sie mit „Infidel“ dargeboten wird.
Bereits in der ersten Szene steht Rawlins vor einem iranischen Erschießungskommando. Er liefert sich mit seinem Entführer und Folterknecht Ramzi (Hal Ozsan) ein wütendes Wortgefecht über die Frage, wer von ihnen wohl eher bereit ist, für seinen Glauben zu sterben. Das ist ein bezeichnender Moment, denn Glaube ist für die Inszenierung immer nur ein Macht-Werkzeug: Er wird geprüft und trainiert wie ein Körper und schützt im Idealfall gegen den korrumpierenden Einfluss von Fremden. Gesten der Gnade und Vergebung kennen die Protagonisten nicht, oder erst im Triumph, wenn sie nichts mehr kosten.
Mit der ersten Szene steht auch die Frage im Raum, wer denn nun der titelgebende Ungläubige ist. Rawlins wird von seinem muslimischen Arbeitskollegen Javid scherzhaft immer wieder so bezeichnet – als „Kāfir“. Die Ereignisse des Films werden als Prüfung seiner religiösen Überzeugungen inszeniert. Seine Ehefrau Liz hatte während der Schwangerschaft einen schweren Autounfall. Mit ihrem toten Kind verlor sie auch ihre Verbindung zu Gott.
Zwischen den Bildern
Doch für das innere Ringen der Figuren findet der Regisseur nur kraft- und trostlose Bilder. Echter Zweifel ist so schwer darzustellen wie starke Überzeugungen. Rawlins starrt zum Himmel und windet sich. Liz wiederum ist in den immer gleichen Rückblenden gefangen, die spätestens im dritten Durchlauf eher grotesk als tragisch wirken. Zwei zum Scheitern verurteilte visuelle Strategien. Cyrus Nowrasteh ist kein Regisseur der Mise en Scène, sondern einer der Montage. Wo er die Kamera bewegt, wirkt dies fast unnatürlich. Alles Relevante geschieht zwischen den Bildern, in ihrem Zusammenspiel. So wird die grundsätzliche Verschlagenheit der Iraner im Schnitt deutlich; die Montage dient der Beweisführung. Während scheinheilige Autoritätsfiguren Liz Unterstützung bei der Suche nach ihrem Ehemann zusichern, wird der in Parallelmontage in seiner Zelle gefoltert.
„Infidel“ erzählt auf diese Weise immer wieder von der Janusköpfigkeit der Muslime. So erweist sich Rawlins „Freund“ Javid schon früh als zwielichtige Figur. Seine Ehefrau ruft nachts bei Rawlins’ Familie an, um vom Verschwinden ihrer Tochter zu berichten. Javids Haus wird von der Polizei gestürmt und entpuppt sich als Manifestation seiner Seele. Nach außen hin mag alles modern und US-amerikanisch wirken, doch in den Kellergewölben verbergen sich Hass und Terror. Aufnahmen von Enthauptungen, Propaganda- und Rekrutierungsvideos – das, was in der englischsprachigen Originalfassung von einem Polizisten „islamic rah-rah shit“ genannt wird. Kurz zuvor hatte Javids Anwältin noch über die Islamophobie der Polizisten geklagt, zwei Schnitte später erweist sie sich damit als naiver liberaler Schreihals.
Der wahre Feind: der Säkularismus
Einer ganzen Religion wird auf die Art der Scheinprozess gemacht, die auch Rawlins später im Iran erdulden muss. Dabei findet der Blogger bei seiner Konferenz in Kairo sogar noch Verbündete unter den Muslimen. Der wahre Feind, darauf kann man sich kurzzeitig einigen, besteht im modernen Säkularismus. Hier erkennen sich zwei Formen des Fundamentalismus als Spiegelbilder. Die Beziehung zwischen Rawlins und dem Schurken Ramzi ist von einer schwer definierbaren Hassliebe bestimmt. In diesem Punkt ist der Film ehrlicher als etwa „Lone Survivor“ von Peter Berg: Man erkennt den anderen zumindest in seiner Radikalität an; seine Randständigkeit ähnelt der eigenen.
Wenn sich dann aber eine geheime christliche Untergrundbewegung gegen das iranische Regime erhebt, wird die US-amerikanische Angst vor den verborgenen muslimischen Schläfern auf das Land des Feindes übertragen. Zwei Mal, einmal in den USA, einmal im Iran, wird so gezeigt, dass im Kern des Ichs das lauert, was uns vernichtet, verborgen in den düsteren Kellern und Gewölben des Landes und des Selbst. Fundamentalismus wird als eine fundamentale Unsicherheit offenbar, die aus Angst vor dem inneren Zweifel den Feind in der Welt sucht.
Von einer größeren Tragik ist allerdings der Verlauf der Karriere von James Caviezel. Nach Erfolgen mit „Der schmale Grat“ oder „Monte Cristo“ folgte die Hauptrolle in „Die Passion Christi“ und eine leidenschaftliche Verteidigung von Mel Gibson gegen Vorwürfe des Antisemitismus. Mittlerweile aber schleppt sich Caviezel lustlos durch spannungsarme Pseudo-Thriller wie „Infidel“.
Im trägen Abwarten, der staubigen Ereignislosigkeit, liegt die vielleicht größte Sünde des Films. Die aufdringlichen Belehrungen könnten zwischendurch wenigsten in mitreißende Action- und Suspense-Szenen eingebettet sein. Ein Hauch Zucker für die bittere Medizin. Ein bisschen will man im Kino ja auch betrogen werden, will Vertrauen fassen wider besseres Wissen. Bei „Infidel“ jedoch bleibt man ungläubig und zweifelt auch noch am Zweifel.