- RegieOliver Parker
- ProduktionsländerVereinigtes Königreich
- Produktionsjahr2023
- Dauer96 Minuten
- GenreDramaKriegsfilmHistorie
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating7.1/10 (1931) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Der alte Mann starrt aufs Meer. Wehmut liegt in seinem Blick. Wie viel Zeit ihm wohl noch im Leben bleibt? Als er sich einen Tee bestellt, am Kiosk einer Strandpromenade, wie es sie in Großbritannien zu Tausenden gibt, drängelt sich ein Radfahrer vor. Die Mitmenschen scheinen durch den alten Mann mit dem Rollator einfach hindurchzusehen. Dennoch wird er sie noch überraschen. Denn Bernie (Michael Caine) ist ein Veteran des Zweiten Weltkriegs, einer jener Helden, die am D-Day im Juni 1944 mit den alliierten Streitkräften an den Stränden der Normandie landeten und damit die Wende im Krieg einleiteten.
Es hat diesen Bernard Jordan tatsächlich gegeben, und der Film von Oliver Parker, der seine Geschichte und die Historie ganz aus Bernies Blickwinkel schildert, setzt ihm und Tausenden anderer Veteranen ein Denkmal. Sie haben Schreckliches erlebt und Großes geleistet.
Soweit es eben noch geht
Dass Michael Caine die perfekte Besetzung für diesen Bernie ist, macht er schon durch seine schiere Präsenz deutlich. Sie bedarf keiner großen Monologe; das wird schon in der Eingangssequenz klar. Nach dem Spaziergang am Meer kehrt der alte Mann in das Seniorenheim zurück, in dem er mit seiner Frau Irene (Glenda Jackson) wohnt. Beide sind gebrechlich, sie noch mehr als er; aber sie genießen das Leben, soweit es eben noch geht, in (ver-)trauter Zweisamkeit.
Man schreibt das Jahr 2014. Eine Heimschwester teilt Bernie mit, dass es mit seiner Reservierung beim 70. Jubiläum des D-Days nicht geklappt habe. Die Feier, zu der auch US-Präsident Barack Obama, der französische Präsident Hollande sowie die Queen eingeladen werden, findet an der gegenüberliegenden Küste in Frankreich statt. Doch statt zu verzweifeln, macht Bernie sich per Bus und Schiff selbst auf den Weg zur großen Zeremonie – mitsamt seinen Kriegsorden an der Brust, seinem Rollator und einem Krückstock.
Als er im Heim endlich vermisst wird, befindet er sich bereits auf der anderen Seite des Ärmelkanals und teilt sich in der Normandie mit dem britischen Veteranen Arthur (John Standing) eine Unterkunft. Arthur war nach dem Krieg Schuldirektor. Er stammt aus einer anderen sozialen Schicht als Bernie. Doch der gemeinsame Kampf im Krieg schafft eine Verbundenheit, die Dünkel und Begehrlichkeiten überflüssig macht. Für beide wird diese Reise ein Abschied und zudem die Gelegenheit, Versprechen für gefallene Gefährten einzulösen.
Anschaulich und ohne Pathos
Mit militärischem Brimborium hält sich der Film indes nicht lange auf. Zwar gibt es mehrere Rückblenden in die Vergangenheit, die Bernie als jungen Mann inmitten der Gräuel des Krieges zeigen. In einer weniger reflektierten Szene trinken Bernie und Arthur mit Wehrmachts-Veteranen in einem Café Brüderschaft. Der Film verkennt dabei, dass man die Mitglieder der Aggressoren-Armee nicht mit den Befreiern vom Nationalsozialismus gleichsetzen kann.
Davon abgesehen erzählt „In voller Blüte“ anschaulich und ohne Pathos, wie sehr die wenigen Monate im Krieg das Leben von Bernie beeinflusst und welche tiefen seelischen Narben sie hinterlassen haben. Auch Irene, die damals schon mit Bernie zusammen war, lebte in täglicher Angst um ihren Mann. In einer weiteren Rückblende sieht man sie in einer Munitionsfabrik vor Angst zittern, als zwei Männer der Armee in ihrem Arbeitsbereich erscheinen, welche Nachrichten über den Tod eines Soldaten übermitteln. Doch dann bricht eine andere Frau vor Kummer zusammen. Ihr Liebster ist umgekommen, Irene kann aufatmen – trotz allen Mitgefühls für die Kollegin.
Dass die britische Presse sich auf den betagten Ausreißer stürzt, als sein Abenteuer in Frankreich bekannt wird, ist für Bernie ein lästiger Nebeneffekt. „I want to go home and see my girl“, ist seine Antwort auf aufdringliche Journalistenfragen, als er wieder an der englischen Küste strandet. Und in der Tat widmet sich der Film ausführlich der Liebesgeschichte zwischen Bernie und Irene. Rückblenden rollen erste Treffen und romantisches Zusammensein auf. Aber auch im Alter verbindet die beiden noch ein quasi symbiotisches Verhältnis. Sie verstehen sich intuitiv, und so kann Irene in einer berührenden Szene Bernie trösten, als er von seinen Schuldgefühlen gegenüber gefallenen Kameraden erzählt, die ihn bis ins hohe Alter quälen. Nachts plagen ihn Albträume, und noch immer verfolgen ihn die Bilder der Gefechte an der französischen Küste.
Sie haben Geschichte geschrieben
Glenda Jackson, die hier in ihrer letzten Rolle zu sehen ist, und Michael Caine verbindet auf der Leinwand eine schöne Chemie. Der Film rückt durch die genaue, empathische und durchaus humorvolle Schilderung des Heimalltags aber auch all jene Senioren und Seniorinnen in den Mittelpunkt, die sonst im realen Leben wie auf der Leinwand oft vernachlässigt oder übergangen werden. „In voller Blüte“ ist eine Hommage an stille Helden, deren Biografie maßgeblich vom Krieg geprägt wurde, die aber, als es darauf ankam, über sich hinauswuchsen und Geschichte schrieben.