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Filmkritik
Die US-amerikanische Nonne Cecilia (Sydney Sweeney) will ihr Leben dem Glauben verschreiben. Deshalb folgt sie der Einladung des charmanten, mit warmer dunkler Stimme sprechenden Pfarrers Tedeschi (Álvaro Morte) nach Italien. In der unberührten Landschaft von Latium befindet sich sein imposantes Kloster, das auf die junge Frau wie ein exklusiver Club wirkt. Für den Zuschauer von „Immaculate“ ist die Idylle zu diesem Zeitpunkt aber längst vergiftet. Zuvor war im Prolog des Films eine Nonne zu sehen, die panisch aus dem Kloster fliehen will, stattdessen aber lebendig begraben wird. Noch während des Vorspanns sind ihre markerschütternden Schreie zu hören.
Der Horrorfilm „Immaculate“ von Michael Mohan macht lange Zeit durchaus neugierig, weil er im Unklaren lässt, wo er genau hinwill. Der sprechende Name der Protagonistin bedeutet im Lateinischen „Die Blinde“ und obwohl biestige Konkurrentinnen, geistig verwirrte Nonnen und albtraumhafte Gestalten mit roten Masken das Misstrauen der Klosterschwester schüren, hindern sie ihre mangelnden Italienischkenntnisse daran, die Situation richtig einzuordnen.
Ein Ort voller dunkler Geheimnisse
Während die Kamera von Elisha Christian durch alte Gemäuer, pittoreske Klosterhöfe und finstere Kapellen streift, taucht der Film in einen Ort voller dunkler Geheimnisse und unterdrückter Begierden ein. Mit unheilvollen Raben, geheimnisvollen Geräuschen und flackerndem Kerzenlicht entsteht dabei eine traumähnliche Gothic-Horror-Atmosphäre, die zugleich luftig und bedrückend ist.
Was die Frauen antreibt, wird nur angedeutet. Während die rebellische Schwester Gwen (Benedetta Porcaroli) heimlich eine Zigarette raucht, erzählt sie, dass sich hier eher gefallene als himmlisch auserwählte Mädchen einfinden. Cecilia selbst ist als Kind im Eis eingebrochen. Sie überlebte nur knapp und verschrieb sich anschließend der Religion. Was sie darin sucht, bleibt unklar. Als sie aber bei einer Zusammenkunft ein Glas Wein trinkt und an Tedeschis Lippen hängt, zuckt ihr Mundwinkel vor erotischer Verzückung.
Den sexuellen Subtext wie auch den Stilwillen hat sich Mohan mitunter aus dem italienischen Genrekino der 1970er-Jahre abgeschaut. Eine mit lieblicher Cembalo-Musik untermalte Sequenz, in der die Nonnen Wäsche aufhängen, wirkt wie ein direktes Zitat aus einem Giallo. Aus dem gegenwärtigen Horrorkino stammen dagegen die aufdringlich inflationär eingesetzten Jump-Scares. Bereits bei der Einwanderungsbehörde knallt der Grenzbeamte seinen Stempel so laut auf Cecilias Pass, dass die Nonne verschreckt zusammenzuckt.
Mit mittelalterlicher Drastik
„Unbefleckt“ bedeutet der Filmtitel und bezieht sich auf die scheinbar übersinnliche Wendung, als Cecilia plötzlich jungfräulich schwanger wird. Dass sie vermutlich nicht die Mutter eines neuen Heilands ist, zeichnet sich langsam, aber mit mittelalterlicher Drastik ab. Einer Abweichlerin wird die Zunge abgeschnitten, und auch ein Brandzeichen in Form eines Kreuzes kommt zum Einsatz.
Je näher der Film seiner Auflösung kommt, desto ernüchternder wird er. Die Erklärung des Wunders hat in ihrer Abstrusität noch einen trashigen Charme, ist aber viel zu banal für die Erwartungen, mit denen „Immaculate“ kokettiert. Der Film verspricht nicht nur mehr, als er einlöst, sondern entzaubert gerade seine interessantesten Ansätze als falsche Fährten.
Angeblich sprach Hauptdarstellerin Sydney Sweeney bereits vor 10 Jahren für den Film vor. Nachdem das Projekt im Sand verlief, übernahm sie auch die Rolle der Produzentin und sorgte schließlich dafür, dass der Stoff doch noch realisiert wurde. Vielleicht liegt es an dieser langwierigen Produktionsgeschichte, dass der Film mitunter so zerstreut wirkt.
Dass die immer etwas zu weltlich und sinnlich auftretende Sweeney als Nonne manchmal deplatziert wirkt, passt durchaus zu dem Film. In die Rolle der Heiligen, soviel kann man verraten, wird sie sich nie fügen. Die Inszenierung weiß um die Ausstrahlung der Hauptdarstellerin und klammert sich gegen Ende buchstäblich an sie. Während der letzten Minuten des blutigen Finales bleibt die Kamera ganz auf Sweeneys schmerz- und wutverzerrtes Gesicht konzentriert. Die formale Strenge dieser Szene wirkt jedoch fast losgelöst vom restlichen Film und unterstreicht noch einmal, dass „Immaculate“ lieber herumprobiert, als sich einem schlüssigen Gesamtkonzept zu verschreiben.