Vorstellungen
Filmkritik
Was Vanda (Alba Rohrwacher) und Aldo (Luigi Lo Cascio) einmal füreinander empfunden haben, lässt sich bestenfalls als Schattenriss rekonstruieren. Denn wenn „Was uns hält“ beginnt, beichtet Aldo gerade eine Affäre mit einer jungen Kollegin. Die Familie lebt in Neapel, doch Aldo arbeitet in Rom als Redakteur für Literatur beim Radio. Aldo verfasst und verliest schöne, kluge Feuilletons über Klassiker der Literaturgeschichte, in denen er über das Leben und Liebe philosophiert. Daheim aber fehlen ihm häufig die Worte.
Diese Trennung von Lebensmittelpunkt und Arbeitsplatz war allerdings Teil der Aushandlungen, die der Ehe vorausgingen. Insofern bekommt der Vertrauensbruch Aldos ein enormes Gewicht. Entsprechend emotional und mit einer fast schon archaischen Eifersucht reagiert Vanda und wirft ihren untreuen Ehemann kurzerhand aus der gemeinsamen Wohnung. Wobei offen bleibt, ob es sich dabei nicht eher um einen rituellen Akt handelt, denn Aldo wartet vor dem Haus, während Vanda aus dem Fenster blickt. Doch diesmal bleibt die Tür zu – und Aldo zieht nach Rom zu seiner Geliebten. Hier könnte die Angelegenheit beendet sein. Doch in Wahrheit fängt sie erst an. Denn das Paar hat zwei Kinder: Anna und Sandro.
Die Kinder sind Zeugen
Regisseur Daniele Luchetti hat zusammen mit dem Autor Domenico Starnone dessen Roman „Lacci“ verfilmt und dabei dessen komplexe Zeit- und Erzählstruktur beibehalten, die es erlaubt, Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven darzulegen und die Konsequenzen bestimmter Handlungen über längere Zeiträume zu verfolgen.
Vanda entwickelt sich über den Verrat Aldos zur Furie, die den Beziehungskampf vor den Augen der Kinder in aller Härte ausficht. Inklusive eines Selbstmordversuchs. Außerdem konfrontiert sie die Geliebte öffentlich mit ihrer Verletztheit und stattet Aldo am Arbeitsplatz einen „Besuch“ ab. Einmal wirft Vanda Aldo vor, in seinem ganzen Leben noch nie eine Entscheidung getroffen zu haben, sondern sich immer nur treiben zu lassen. Mehrfach macht der Film darauf aufmerksam, dass die Kinder ohnmächtige Zeugen der Auseinandersetzungen sind und immer wieder gezwungen werden, Stellung zu beziehen.
So unnachgiebig und brutal der Streit eskaliert, so groß ist die Überraschung, als der Film plötzlich einen Sprung von 30 Jahren macht – und Vanda und Aldo – jetzt gespielt von Laura Morante und Silvio Orlando – immer noch zusammen sind. Erst nach und nach klärt sich das Geschehen. Nachdem ihm seine Geliebte den Laufpass gegeben hatte, war Aldo zu Vanda zurückgekehrt, die ihn in der Absicht wieder bei sich aufnahm, ihn für den Rest seines Lebens zu bestrafen. Die Stimmung ist gereizt; das Zusammenleben eine Quälerei. Jede Wunde wird offengehalten. Die Zeit heilt hier rein gar nichts.
Am Ende dieser zweiten Episode steht das Paar dann vor den Trümmern seiner Existenz. Doch dann wechselt der Film abermals die Perspektive und erzählt von den nun erwachsenen Kindern, von Bindungen und Kontinuitäten, die sich auch in der nächsten Generation fortspinnen.
Eine böse Pointe
Die Montage der einzelnen Puzzleteilchen ist sehr ambitioniert und vertraut auf sehr aufmerksame Zuschauer, die sich auch dort ein Bild machen, wo der Film sich explizit nicht positionieren will. Interessant ist dabei, dass keine der Figuren sympathisch gezeichnet wird, was dem Film ein paar Momente von Brechts epischem Theater verleiht. Selbst die böse Pointe, die sich „Was uns hält“ lange aufspart, ist keine Lösung, sondern eher eine Retourkutsche im gleichen Geist.