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Filmkritik
„Die Gesellschaft von Wölfen ist besser als die von Männern“, lehrt die Mutter den Sohn am Lagerfeuer im Wald. Gerade hat sie dem Kleinen die Geschichte des Wolfsmädchens erzählt, einer jungen Frau, die vor langer, langer Zeit in eben jenem Wald von Wölfen aus der mörderischen Gewalt von Männern gerettet wurde. Der französische Filmemacher und Comiczeichner Vincent Paronnaud – bei „Persepolis“ und „Huhn mit Pflaumen“ war er als Co-Regisseur tätig – illustriert das Horrormärchen in Form einer düsteren Schattenspielanimation. Das ist aber auch schon alles, was in „Hunted“ stilistisch über den formelhaften Genrefilm hinausweist.
„Hunted“, der hierzulande mit dem witzig gemeinten Zusatz „Waldsterben“ vertrieben wird, präsentiert in seinen ersten Minuten ein ganzes Panorama männlicher Ignoranz, Herablassung und anderer Formen von Arschlochhaftigkeit. Als Eve zur Beaufsichtigung eines Bauvorhabens in einen entlegenen Ort geschickt wird, macht ihr Chef sie am Telefon runter, sie müsse konsequenter sein, sich durchsetzen, vielleicht könnte ein Kollege übernehmen? Eves Lebensgefährte bedrängt sie mit Anrufen, in einer Bar, wo sie Zerstreuung sucht, wird sie von einem Idioten belästigt und beschimpft. Ein anderer Typ greift schützend ein und spielt ihr den empfindsamen Mann vor, stellt sich jedoch bald als sadistischer Psychopath mit Videokamera heraus. Zusammen mit einem Handlanger, den er herumschubst und mit Psychospielchen gängelt, entführt er Eve und verschleppt sie in den Wald. Wie seine vorherigen Opfer, die man immer wieder auf kurzen Videoschnipseln in angedeuteten Foltersituationen sieht, will er sie vergewaltigen, quälen, töten und bei all den Grausamkeiten filmen.
Wenn Rotkäppchen tierische Schützenhilfe bekommt
Im Wald aber findet Eve von Anfang an einen Verbündeten. Zunächst verursacht ein Wildschwein einen Autounfall, worauf Eve fliehen kann, dann fliegt ein schwarzer Rabe dem Killer ins Gesicht und macht ihm das Video-Equipment kaputt. Später kommt ihr ein Hund zur Hilfe. Paronnauds Spiel mit Märchenmotiven ist so grobklotzig wie seine Lektion in gewalttätiger Männlichkeit dubios und stumpf ist. Bei aller Demonstration weiblicher Selbstermächtigung wirkt „Hunted“ sichtbar fasziniert von den misogynen Scheußlichkeiten des Psychopathen, und so hat man zum x-ten Mal dabei zuzuschauen, wie ein mordlustiger Killer eine Frau durch den Wald hetzt, die vor Angst tausend Tode stirbt (auch wenn Lucie Debay die Rolle mit einer angemessenen Robustheit verkörpert).
Mit ihrem roten Kapuzenanorak soll Eva natürlich an das Rotkäppchen erinnern, die wiederholten Aufnahmen von Tieren – Rehe, Vögel, Eidechsen, Ameisen, auch eine Schildkröte kriecht mal durchs Bild – entfalten jedoch nur wenig naturmystische Atmosphäre. Mit den zunehmenden körperlichen Verletzungen des Irren kommen surreale Elemente ins Spiel – Eve, von einem Paintball getroffen, sieht mit der blauen Farbe im Gesicht nun ein wenig aus wie die Belmondo-Figur in Godards „Pierrot le Fou“. Irgendwann drehen sich auch die Rollen von Jäger und Gejagter um und Eve wird immer mehr zum naturnahen Wolfsmädchen, das in geradezu animalischer Wucht auf Rache sinnt.
Wüstes Finale im Modellhaus
Im Finale, das den Wald hinter sich lässt und in einem der Modellhäuser auf der eingangs eingeführten Baustelle stattfindet, geht es wüst zu und mit der Inneneinrichtung wird auch ein bisschen auf den schönen Traum eines heilen Kleinfamilienlebens eingedroschen. Zum Einsatz kommen unter anderem Geschirr, Türen, Messer, ein Duschschlauch und ein Daunenkissen. Federn wirbeln wie Schneeflocken umher, und inmitten der Landschaft: das Final Girl, die erlegte Beute zu seinen Füßen.