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Filmkritik
Die hochschwangere Maria (Nilam Farooq) trägt noch schnell die letzten Kisten in das abgelegene Landhaus, das der Familie ihres Verlobten Viktor (David Kross) gehört. Ganz angekommen ist sie in ihrem neuen Zuhause noch nicht. „Home Sweet Home“, strahlt es zwar von einem Neonschild im Eingangsbereich, aber die Wärme, die man mit diesem Slogan verbindet, wird die Protagonistin in dem Horrorfilm von Thomas Sieben nicht finden. In dem gediegenen, gutbürgerlichen Setting wirkt Maria nur umso verletzlicher: Sie ist völlig allein, wird von Magenkrämpfen gequält und von einem zwielichtigen Nachbarn (Anton Fatoni Schneider) verunsichert.
Wie viele Filme vor ihm beschwört „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ den Schrecken ausgerechnet dort herauf, wo man sich am wohlsten und sichersten fühlen sollte. Obwohl sich das vom Regisseur selbst verfasste Drehbuch zunächst Marias Einsamkeit widmet, lässt es jeden Sinn für die Psychologie der Figur vermissen. Die Gespräche, die die junge Frau mit dem abwesenden Viktor per FaceTime führt, wirken so phrasenhaft und aufgesagt wie in einer Seifenoper. Während Maria allein vor sich hin leidet, widmet sich ihr unsympathischer Yuppie-Freund lieber seiner Karriere. Bald spielt das ungelenk angedeutete Beziehungsdrama aber ohnehin keine Rolle mehr.
Die One-Shot-Konvention
Denn kaum ist es Nacht, wird die Schwangere von seltsamen Geräuschen und Stromausfällen beunruhigt. Ein im Hintergrund heranrauschender (CGI-)Geist sorgt nicht nur für ein kurzes Aufschrecken, sondern deutet auch an, dass die Bedrohung übersinnlicher Natur ist. Als Maria auf der Suche nach dem Stromkasten ein versiegeltes Zimmer entdeckt, stößt sie auf ein dunkles, bis in die deutsche Kolonialzeit zurückgehendes Familiengeheimnis. Dann setzen auch noch die Wehen ein, was Viktors Vater Wilhelm auf den Plan ruft, der zufällig auch Frauenarzt ist. Justus von Dohnányi spielt ihn so sanft und verständnisvoll, dass es misstrauisch stimmt.
Es spricht für „Home Sweet Home“, dass sich nicht sofort aufdrängt, dass man es hier mit einem One-Shot-Film zu tun hat; also einer Produktion, die in einer einzigen Einstellung gedreht wurde oder mithilfe von unsichtbaren Schnitten zumindest so tut, als ob. Wie so oft, erweist sich das über die Dauer des Films als künstlich auferlegte Herausforderung. Nicht nur allenfalls einige wenige Schnitte sollen erkennbar sein, sondern gar keiner. Im besten Fall macht diese Beschränkung erfinderisch, etwa, wenn in einen Schwenk eine Rückblende eingebaut wird. Oft fühlt es sich aber auch einfach nur nach einem rein technischen Konzept an, das konsequent durchgezogen werden muss, selbst wenn das Ergebnis nicht sonderlich elegant ist.
Je mehr sich der Film auf Marias zunehmende Panik und ihre Fluchtversuche von dem Anwesen konzentriert, desto deutlicher entwickelt die rastlose Handkamera von Daniel Gottschalk auch eine packende Unmittelbarkeit. Die Handlung entfaltet sich zwar denkbar generisch, aber durch die Nähe zu Maria und vereinzelte Unübersichtlichkeiten erlebt man das Geschehen gefiltert durch die labile Psyche der Protagonistin. Besonders im Mittelteil folgt „Home Sweet Home“ dieser ebenso simplen wie wirkungsvollen Strategie. Während Nilam Farooq schwer atmend, schluchzend und schreiend durch eine Situation hetzt, die sie nicht begreift, rückt das zurückgenommen brummende Sounddesign alles, was Maria sieht, ins Unheimliche.
Eine unentrinnbare Schuld
Wenn gegen Ende die krude Handlung jedoch wieder überhandnimmt, verliert sich die Geschichte in ihrem eigenen Unsinn. Da werden Haunted-House-Konventionen, deutsche Geschichtsaufarbeitung und „Rosemarys Baby“ wild zusammengewürfelt, was ein wenig lieblos wirkt, weil der Film sich keinem dieser Motive mit der nötigen Aufmerksamkeit widmet.
Eine Geschichte über die Unentrinnbarkeit vergangener Schuld wäre ebenso denkbar gewesen wie ein Plot über die Qualen einer werdenden Mutter. „Home Sweet Home“ aber skizziert das alles lediglich und vertraut genügsam darauf, dass sich aus der bloßen Andeutung schon etwas Interessantes ergeben wird.