- RegieMaria Sødahl
- ProduktionsländerNorwegen
- Dauer125 Minuten
- GenreDrama
- Cast
- TMDb Rating7.2/10 (39) Stimmen
Vorstellungen
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Filmkritik
Die Darsteller bewegen sich auf einer reduziert beleuchteten Bühne. Mit ihren hautfarbenen Kostümen tauchen sie in ein glänzendes Meer aus Silberpapier ein und lassen sich fallen. Der Widerschein der Szene illuminiert das angespannte Gesicht einer Beobachterin im Halbdunkeln. Die verfolgt mit zusammengepressten Lippen und konzentriertem Blick das Spiel, ohne eine Regung zu zeigen. Dann fällt der Vorhang; großer Applaus. Anja (Andrea Bræin Hovig) wird als Regisseurin des Stücks mit auf die Bühne geholt und ist für einen kurzen Moment ganz gelöst.
Doch ihre alltägliche Verkapselung holt sie schnell wieder ein. Zurück in Stockholm wird sie vom häuslichen Chaos ihrer Patchworkfamilie überrumpelt. Die drei älteren Kinder versuchen in beschwingter Stimmung für ihre jüngeren Halbgeschwister zu kochen. Anja reagiert gereizt, obwohl sich die Verwüstung in Grenzen hält. Wie immer stellt sie sich schützend vor ihren jüngsten Sohn, klammert sich förmlich an ihn. Von ihrem Mann Tomas (Stellan Skarsgård) fehlt jede Spur. Als der sich später zu ihr ins Bett legt, ist der Laptop schon griffbereit. Ihre Vorwürfe, dass er seinen Aufgaben nicht nachkomme, nimmt er gelassen. Anjas Ressentiments aber steigern sich in stechenden Kopfschmerz. Eine allzu vertraute partnerschaftliche Szene bricht sich Bahn. Am nächsten Morgen kommt der Verlust des Sehvermögens dazu.
Fliehkräfte der Familie
Da Anja nicht mehr lesen kann, geht sie zu ihrer Ärztin. Deren Beunruhigung will sich zuerst nicht auf Anja übertragen. In wenigen Tagen ist Weihnachten, es gibt unendlich viel zu organisieren. Doch das Ergebnis trifft noch vor den Feiertagen ein: Anja hat Krebs im Endstadium. Der Tumor im Gehirn kann nur eine Metastase dessen sein, was sie vor über einem Jahr bereits überwunden zu haben schien.
Tomas bricht in Tränen aus. Die Entfremdung zwischen dem Paar nimmt plötzlich eine tragische Dimension an. Hatte man zuvor noch aneinander vorbeigelebt, jeder mit seiner Arbeit, in seiner eigenen Welt, so ist jetzt die Parallelität der gemeinsamen Wege an ein Ende gekommen. Obwohl Tomas fast zwanzig Jahre älter ist als seine zweite Frau, scheint er nun derjenige zu sein, der Abschied nehmen muss.
Nach einem Nervenzusammenbruch im Badezimmer nimmt Anja Tomas ein Versprechen ab: Er solle sie durch diese Zeit begleiten und an ihrer Seite stehen, auch wenn er keine Liebe mehr für sie empfinde. Nicht nur um ihretwillen, sondern auch für die Kinder, die ihre (Stief-)Eltern fast nur als Antagonisten kennen.
Körperlich bahnt sich über die Feiertage eine Tour de Force an. Die vom Arzt verschriebenen Steroide sind überlebensnotwendig, um einen plötzlichen Hirntod zu unterbinden. Nebenbei wirken sie aber wie ein starkes Aufputschmittel, dass den Stoffwechsel gefährlich nah an eine Psychose bringt.
An der Schwelle
Die Regisseurin Maria Sødahl entwickelt aus diesem dramatischen Szenario mit großer Ruhe eine Beziehungsgeschichte voller Zwischentöne, nicht zuletzt auch, weil es ihre eigene ist. Dass sie ihre schwere Erkrankung aller Prognosen zum Trotz überwinden konnte, ist jedoch nicht Gegenstand des Films. Anders als in vielen anderen Filmen, in denen es um eine Krebsdiagnose geht, steht in „Hope“ nicht der Kampf ums eigene Überleben im Vordergrund.
Die titelgebende Hoffnung bezieht sich auf etwas Anderes, nicht weniger Existenzielles. Sie zeigt sich nur langsam zwischen den eingespielten Familienritualen und dem alltäglichen Zank: in der gemeinsamen Zeit, die plötzlich rar zu werden droht und unter der Fülle der ungesagten Worte zu zerbersten scheint. Etwas Ähnliches deutet sich zwischen dem Paar während eines gemeinsamen Weihnachtsfestes an, bei dem die Kinder noch nicht eingeweiht sind, damit sie es in guter Erinnerung behalten, oder bei den demütigenden Besuchen von Neuro-Spezialisten, die über Anjas Prognose so unpersönlich reden, als wäre sie ein statistisches Diagramm.
Hoffnung zeigt sich, als Anja merkt, wie Tomas trotz aller Zurückweisung, die sie immer wieder an ihm ausagiert, nicht von ihrer Seite weicht. Etwas verschiebt sich im Selbstverständnis ihrer eigenen Biografie. Unter all dem Ärger über ihr vermeintlich ungelebtes Leben entdeckt sie eine tiefe Hilflosigkeit, die sie bislang immer abgewehrt hat. Im Delirium der Medikamente kommt Anja nicht nur ihrer Sehnsucht nach Nähe und Offenheit auf die Spur, sondern auch einer Möglichkeit, die Liebe endlich anzunehmen, die immer da war. Unverwirklicht, aber stets gegenwärtig.
Nicht mehr allein
„Hope“ handelt nicht nur von der Tragik einer allzu verbreiteten Krankheit und der Angst vor dem mit ihr verbundenen Verlust. Viel mehr setzt Maria Sødahls einfühlsames Drama dem Tod etwas entgegen: das innere Bild, das entsteht, wenn man die Nähe zueinander zulässt.
Es ist diese Verbundenheit, die Anjas Tochter am Ende zwischen ihren Eltern erkennt, weshalb sie ihre bisherigen Vorstellungen von Liebe revidiert. Und auch Anja erfährt schließlich etwas ihr bislang Unbekanntes, als sie auf der kalten Metallliege in den sterilen Operationssaal geschoben wird. In der Verletzlichkeit ihres Körpers, den sie den Ärzten überantworten muss, ist sie auf einmal nicht mehr allein. Da ist ein Bild in ihr, das die Kraft hat, zu überdauern.