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Filmkritik
Warum nicht mal etwas wagen. Immerhin hatte die Dramödie „Honig im Kopf“ von Til Schweiger über einen Demenzkranken und seine zehnjährige Nichte die Herzen der deutschen Zuschauer erobert und sich 2014 zum erfolgreichsten Film des Jahres entwickelt. Daher lag es nahe, diesen Stoff für den US-Markt neu zu produzieren. Was bei französischen Komödien wie „Ziemlich beste Freunde“ funktioniert, könnte doch auch bei einem deutschen Remake aufgehen.
Doch der vom Erfolg verwöhnte Regisseur erlebte hier zum ersten Mal, dass ein Herzensprojekt schmerzhaft abgestraft wurde. Und zwar nicht durch die Kritik, um die er sich schon seit „Keinohrhasen“ nicht mehr schert, sondern seitens des Publikums, das sich in den USA partout nicht für „Head Full of Honey“ interessiert. Jetzt soll der deutsche Start die Scharte wieder auswetzen.
Am Stoff wurde nichts geändert
Am Stoff wurde für die englischsprachige Neuinszenierung nichts Signifikantes geändert. Ein sich kabbelndes Ehepaar (Sarah und Nick) aus reichem Hause, ein taffes zehnjähriges Töchterchen (Matilda), das die familiären Zwistigkeiten kompensiert und ihren Großvater (Amadeus) als Verbündeten begreift. Der hat gerade seine Frau beerdigt und zeigt immer eindeutigere Anzeichen einer fortschreitenden Demenz.
In der Welt der Superreichen sind das drei eindeutige Fälle für eine Paartherapie, einen Kinderpsychologen und das Pflegeheim. Nicht jedoch für Til Schweiger, der aus dieser Grundkonstellation eine groteske Komödie gegen alle Konventionen spinnt.
Im Remake verfrachtet die Familie den alten Mann aus dem ländlichen Connecticut in ein Landhaus in die Londoner Suburbs. Hier dürfen Matilda und Amadeus dem Schalk freien Lauf lassen, während Nick den verständnisvollen Stoiker gibt und Sarah die Rolle der Vernünftigen einnimmt, die mal ungläubig, mal echauffiert den wachsenden Scherbenhaufen kommentiert.
Rational betrachtet, wäre die Sache einfach zu beheben, doch alle Beteiligten spielen ihre Rollen so, als gäbe es keine Konsequenzen. Noch viel vehementer als im deutschen Original entwirft Schweiger eine Welt bar jeglicher Realität, ganz nach dem Motto eines erfolgreichen deutschen Popsongs: „Komm mit mir ins Abenteuerland. Auf deine eigene Reise. Komm mit mir ins Abenteuerland. Der Eintritt kostet den Verstand.“ In dieser Welt kommentiert Sarah mit vehementem Augenrollen die Demolierung ihres Jaguars durch Amadeus, erleidet aber fast einen Herzinfarkt, als er ihre Rosenhecke rigoros beschneidet. Es ist eine Welt, in der monetäre Dinge keinerlei Rolle spielen und das Chaos zur Belustigung anderer dient.
Ein disneyfiziertes Europabild
Als dann Sarah den vermeintlich letzten Wunsch ihres Opas erfüllt und mit ihm nach Venedig reist, wo er sich mit seiner Frau einst so innig verstand, ist das auch inszenatorisch ein Aufbruch in eine „gute alte Zeit“, in der alle so aussehen, als tanzten sie durch eine Schokoladen-Werbung des 19. Jahrhunderts. Das ist ganz ähnlich dem deutschen Original, wirkt in der US-Fassung aber noch weniger gebrochen, fast so, als sollte hier ein disneyfiziertes Europabild präsentiert werden.
„Head Full of Honey“ hat ein großes Manko: seine Darsteller. „Honig im Kopf“ konnte noch mit dem grandiosen Dieter Hallervorden punkten, der ab und zu für die nötige Ernsthaftigkeit sorgte. Hallervorden ist ein Komiker und beherrscht die Kunst des Slapsticks, aber auch die Nuancen zwischen Anarchie und Empfindsamkeit. All das geht Nick Nolte völlig ab. Der (einst) brillante Schauspieler agiert hier als grobschlächtiger, notgeiler Grimasseur. Auch die anderen Akteure passen sich dem plakativen Drehbuch an und agieren bestenfalls als Abziehbilder ihrer selbst. Tragisch und fast ärgerlich ist die Rolle von Jacqueline Bisset, die als Sarahs Mutter Vivian die schrullige Pointengeberin spielen muss und nur im Cocktail-Nebel brilliert.
„Der schönste Tag meines Lebens“
Dem Demenz-Thema werden hier allenfalls ein paar wohlfeile Floskeln abgerungen: „Opa braucht eine Aufgabe“, „Musik und Humor sind die richtige Medizin“, „Nur im Familienverbund findet ein Dementer Geborgenheit und Glück“. Die Krankheit, die normale Familien bisweilen vor eine immense Zerreißprobe stellt, wird hier zum Abenteuer verklärt; der Kranke zu einer Art Hofnarr, der der dysfunktionalen Familie den Spiegel vorhält. Demenz erscheint als durchreflektierter Prozess, der mit dem nötigen Bankkonto zum immerwährenden Spaß avanciert. Das war schon im Original so, wird in Gestalt einer Hollywood-Schmonzette aber auf die Spitze getrieben. Als Resümee klingt Matildas „windschiefer“ Drehbuchsatz über die mehrtägige Reise nach Venedig nach: „Das war der schönste Tag meines Lebens!“