Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Wer braucht schon einen Namen, wenn ein Charakterzug alles sagt? Der Bauer ist griesgrämig von den Gummistiefeln bis zur Fellmütze und lässt das sein gesamtes Umfeld spüren. Was in der finnischen Pampa allerdings gar nicht so viele sind. Die beiden erwachsenen Söhne können mit ihrem Vater kaum noch etwas anfangen, und der Nachbar Kolehmainen hält immer mal wieder dagegen, wenn der Miesepeter seine verstaubten Ansichten von sich gibt. Wenn er nach seinem Autounfall schon keinen Neuwagen kaufen wolle, dann solle er sich doch zumindest dazu überreden lassen, sich in diesem „Internetz“ einen baugleichen Oldtimer zu organisieren. Gesagt, getan. Schon befindet sich der Grump auf einem Roadtrip nach Hamburg. Mit im Gepäck des sturen Alten: seine moralischen Maßstäbe, die er seit Jahrzehnten nicht mehr hinterfragt hat.
Ein 1972er Ford Escort muss es sein
Der Finne Mika Kaurismäki erzählt die Geschichte des grummeligen Alten nach der Romanreihe von Tuomas Kyrö, die in Finnland ein Bestseller war und in Deutschland als „Der Grantige“ erschienen ist. Dass der Einsiedler für den Autokauf aus seiner Komfortzone hinausmuss, lässt Welten aufeinanderprallen, denn der alte Griesgram ist selbst ein Auslaufmodell, und das bekommt er mit jedem Kontakt zur Außenwelt zu spüren. Was für ihn zunächst lediglich ein Beweis dafür ist, dass er mit seinem abgeschotteten Lebenswandel genau richtig liegt.
Mit seiner speckigen Fellmütze, einem alten Lederkoffer und 22.000 Euro in bar reist er nach Hamburg, um das Auto abzuholen – ein 1972er Ford Escort muss es sein. Mit diesem Modell, das wird mit der Zeit deutlich, verbindet ihn vor allem eine sentimentale Erinnerung. Der Grump hängt an seiner Vergangenheit, in der alles besser war – und hat darüber die Verbindung zur Gegenwart verloren.
Gleichermaßen lakonisch wie ironisch begleitet Kaurismäki den Alten auf seiner Reise. In Hamburg findet er seinen seit einem Streit entfremdeten Bruder wieder und muss sich seiner Vergangenheit stellen. Auf den diversen Reisestopps werden dabei Themen wie die Digitalisierung, New Work und moderne Familienmodelle verhandelt – immer aus der Perspektive des etwas renitenten und bisweilen reaktionären Miesepeters, der sich nur widerwillig mit sich und der Welt auseinandersetzt. Im Streit mit seinem Bruder ging es damals um eine Frau, im Zank mit den Söhnen um die Frage, was ein richtiger Mann ist und ob die Söhne den Ansprüchen des Vaters gerecht werden können oder überhaupt wollen.
Pragmatisch-versöhnlich, aber rabiat
Mit der Zeit handelt der Griesgram dann zumindest pragmatisch-versöhnlich, wenn auch weiterhin rabiat. Als ihm sein Bruder erzählt, dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter in Deutschland hat, setzt der Grump kurzerhand den Blinker und fährt ihn dorthin.
Eine Versöhnung auf Kommando? Das kann doch nur schiefgehen. Allerdings zeichnet Mika Kaurismäki sowohl die Figur als auch ihre Reise in groben Strichen und reduziert den Protagonisten damit auf eine Vielzahl von Klischees und Allgemeinplätzen. So spielt der Film immer wieder mit der Doppelbedeutung des Begriffs „Escort“. Der Alte meint das Automodell, der Taxifahrer in Hamburg aber denkt, er soll ihn in ein Bordell fahren. So richtig kommt auch der Film nicht von solch angestaubten Weltbildern und Erzählformen los, und so grummelt sich der Großvater in einer bald ermüdenden „Und dann“-Dramaturgie von einer Situation zur nächsten. Dass er das Herz am rechten Fleck hat, will kaum hindurchschimmern.
Was eine skandinavisch-kauzige Version von David Lynchs „The Straight Story“ hätte werden können, gerät Mika Kaurismäki so zu einem etwas zerdehnten Altherrenwitz. Und das wohl auch deshalb, weil Kaurismäkis Humor und der Sarkasmus des Alten kaum voneinander zu unterscheiden sind.