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Filmkritik
Dass ein heutzutage ohne Worte gedrehter Film kein Makel sein muss, bewies der mehrfache „Oscar“-Gewinner „The Artist“ (2011), der als wehmütige Ode den Stummfilm als Ausdrucksform in allen Facetten funkelnd zu feiern wusste. Bei „Geschlechterkrise“ von Malte Wirtz geht die Rechnung weniger beglückend auf, denn es reicht nicht, genretypische Texttafeln in einer mitunter peinlich holprigen Umgangssprache einzuschieben, das Stilmittel der Überblendung zu nutzen und die Szenen mit Klaviermusik zu begleiten, wenn das auf den Straßen von Köln gedrehte Material langatmig dahinplätschert und sich der Charme einer unnatürlich expressiven Körpersprache nicht einstellen will.
Jede Menge Spaß beim Improvisieren
Der auf Low-Budget-Filme spezialisierte Regisseur Malte Wirtz (Jahrgang 1979) mag bei den Dreharbeiten mit seinen experimentierfreudigen Komplizen jede Menge Spaß am Improvisieren gehabt haben; dennoch will man ihm bei seiner in die Gegenwart versetzten Variation der biblischen Erzählung von Samson und Delilah nur bedingt folgen, was nicht daran liegt, dass man eine turbulente Dramaturgie oder genretypische Slapstick-Einlagen vermissen würde.
Der namentlich in Simson abgewandelte Protagonist ist dank seiner Haare so verführerisch und stark, dass er Rolltreppen gegen die Fahrtrichtung laufen kann und Scharen von Frauen und Männern in Parks und Tiefgaragen hypnotisch in Bann zieht. Sie alle möchten die Quelle seiner Macht an sich bringen, darunter auch eine laszive Femme fatale. Nach einem gelungenen Raub und Verzehr der Haare, die Simson wieder in einen Normalsterblichen verwandeln, nutzt sie ihre neu gewonnenen Verführungskräfte, um beide Geschlechter anzusteuern, wird aber wenig später trotz ihrer Verkleidungen selbst Opfer eines Angriffs, der auf ihre magische Frisur abzielt.
Ein Stadtporträt bei Tag & Nacht
Damit ist die Haarschneiderei lange noch nicht an ihr Ende gelangt; weitere Interessenten bekommen einen kurzen Auftritt auf der Jagd nach dem ultimativen Glücksversprechen. Mafiosi in dunklen Anzügen tauchen auf und werden zur Strecke gebracht, das Märchen von Aschenputtel wird zitiert, nur die im Titel beschworene Geschlechterkrise will nicht zum Zuge kommen.
Was Wirtz in diesem sinnfreien Scheren-Reigen auf entfernten Spuren von Godards „Außer Atem“ entfernt gelingt, ist ein Stadtporträt von Köln bei Tag und Nacht. Was der Handlung an Originalität abgeht, muss der unentwegte Wechsel der Schauplätze wettmachen.
Auf Konflikte, die das Geschehen voranbringen würden, wartet man vergeblich. Es geht weniger um erotische Eskapaden als darum, zu der Person zu werden, die man immer schon sein wollte, und um den Preis des Ruhms, der sich mit einer ernüchternden Dauer von Warhols berühmten 15 Minuten begnügt.
Bemerkenswerte Schauspielvolten
Versteckt Wirtz in der anachronistischen Verpackung etwa eine Kritik am eitlen Ego-Wettkampf des Instagram-Zeitalters? Das wäre wohl zu viel hineininterpretiert. Ohne die überzeugende Musik von Wilhelm Friedmann wäre es allerdings auch erheblich schwieriger, den unbeholfenen Plot als Stummfilm zu identifizieren. Dass die Darsteller den Esprit von Charlie Chaplin und Louise Brooks studiert haben, erkennt man durchaus. Manche Kontrahentin gewinnt dem bemerkenswerte Schauspielvolten ab. Aber in der Summe wähnt man sich in einem Studentenfilm aus dem Erstsemester. Das reicht nicht, um den behaupteten Zufallsimperativ von Attraktivität und Erfolg zum Glänzen zu bringen.