- RegieJan Schmidt-Garre
- Dauer93 Minuten
- GenreDokumentarfilmMusik
- Cast
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Filmkritik
Seit dreißig Jahren dreht Jan Schmidt-Garre Filmessays und Porträts über Künstler und Musik. Mit jeder neuen Arbeit versucht er dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, woraus das „heilige Feuer“ erwächst, das Kunst nicht nur schlechthin möglich macht, sondern zur Blüte und zur unverwechselbaren Schönheit reifen lässt. Auch in „Fuoco sacro“ begibt sich der Filmemacher auf die Spur dessen, was rational kaum erklärbar und nur schwer in Worte zu fassen ist. Er porträtiert drei zeitgenössische Künstlerinnen, die jenen „Gesang, den man in der Seele hört“ kreieren. Und er will wissen, wie ihnen das gelingt.
In seinem knappen Off-Kommentar stellt er sich vier Fragen, die er wie in einer filmischen Versuchsanordnung entschlüsseln möchte: Wie proben sie? Wie arbeiten sie mit ihren Stimmen? Was machen sie unmittelbar vor ihrem Auftritt? Und: Wie entsteht jener „Fuoco sacro“, das heilige Feuer des Gesangs? Während die ersten drei Themenkomplexe durch Beobachtungen und Interviews umrissen werden, verbleibt die vierte Frage in einem schwer fassbaren Schwebezustand. Das „heilige Feuer“ kann nicht wirklich erklärt und will auch gar nicht gebändigt werden.
Der Gesang erwächst aus der Tiefe
Als Partnerinnen standen dem Regisseur die aus Albanien stammende Sängerin Ermonela Jaho, die Kanadierin Barbara Hannigan und die Litauerin Asmik Grigorian zur Verfügung. Drei Sopranistinnen, die ihre Auftritte auf unterschiedliche Weise vorbereiten und bewältigen. So erzählt Ermonela Jaho davon, wie sie darunter litt, dass alles, was aus Albanien kam, Anfang der 1990er-Jahre in einem denkbar schlechten Ruf stand. Der Schmerz über ein solches Pauschalurteil beeinflusste ihre Kunst; sie kanalisierte ihr eigenes Leid, um ihrem Gesang eine Seele zu geben. Barbara Hannigan nennt sich selbst eine Perfektionistin: Ihre Proben ähneln dem Training einer Spitzensportlerin. Wie lang kann ich einen Ton halten, bis zu welcher Höhe schaffe ich es heute? Für Asmik Grigorian ist es hingegen die absolute Beherrschung der sängerischen Technik, die es ihr erlaubt, sich in ihren Rollen frei zu bewegen. Alle drei Frauen verbindet eine überwältigende Leidenschaft für die Kunst der Oper. Auf der Bühne geben sie ihr Innerstes preis. Unabhängig davon, ob sie mit ihren Bühnenfiguren verschmelzen oder doch eher kontrollierend neben ihnen stehen: Das Publikum empfindet ihre Auftritte als außerordentliches Erlebnis.
„Fuoco sacro“ erlaubt Einblicke hinter die Kulissen von Opernproduktionen, etwa an der Staatsoper München, den Salzburger Festspielen oder der Staatsoper in Hamburg. Neben Probenausschnitten ermöglicht der Film intime Beobachtungen: die Verwandlungen der Sängerinnen durch Kostüm und Maske, das einsame Erfassen und Ertasten des Bühnenraums lange vor der Vorstellung, die gymnastische Übung im Park. Um dem Geheimnis des „Heiligen Feuers“ auf die Spur zu kommen, setzt Schmidt-Garre den Protagonistinnen auch Kopfhörer auf und ermutigt sie, mit geschlossenen Augen eigene Auftritte zu kommentieren. Was fühlt Asmik Grigorian, wenn sie ihrer in Salzburg gesungenen Salomé lauscht? Doch auch in diesen Versuchen kommt es zu keinen rationalen Erklärungen. Was bleibt, sind einzelne Worte oder Halbsätze, die spezielle Empfindungen in jeweiligen Bühnenmomenten transparent machen: „Luft, Luft, atmen, atmen... Ich habe solche Angst... Du fehlst mir wie verrückt.“
Erst nach einer Weile
Eine besonders intensive Sequenz setzt Schmidt-Garre fast an den Schluss. Ermonela Jaho hat sich eine Luftröhrenentzündung zugezogen, tritt aber dennoch vor das Münchner Publikum. Als der Vorhang fällt, ist auf der Tonspur nur ferner Jubel zu hören, dafür umso lauter das eigene Atmen, ein erlösendes Klopfen auf die Brust. Die Kraft, die dieser Abend die Sängerin gekostet hat, und ihre Erschöpfung sind auf ihrem Gesicht deutlich ablesbar. Erst nach einer Weile wird der Beifall lauter, dringt ins Bewusstsein der Protagonistin. Die experimentell verfremdende Bild-Ton-Collage lässt eine Ahnung von der Endlichkeit dieser Kunst, den Gefährdungen der Stimme und des mit ihr verbundenen Glückszustands aufkommen. Es ist ein zutiefst cineastischer Moment, wie ihn „Fuoco sacro“ vielleicht des Öfteren gebraucht hätte, um das Geheimnis, das der Film entdecken will, ein wenig mehr zu entschleiern.