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Filmkritik
Auch wenn der Film „Aline“ heißt, handelt es sich doch um eine fiktionalisierte Biografie von Céline Dion, gedreht von der französischen Schauspielerin und Regisseurin Valérie Lemercier. Einmal wird Aline sogar versehentlich Céline genannt, damit es keine Zweifel am Gegenstand dieses Films gibt.
„Aline“ ist eine fast schon distanzlose Hommage an „Der Welt liebste Heulboje“ („Stern“). Lemercier will Dion huldigen. Abgründe oder Abstürze, Risse oder Krisen, Skandale oder Fehlverhalten, wie sie in „Rocketman“, „Bohemian Rhapsody“ oder jüngst „Respect“ verhandelt werden, wären hier fehl am Platz. Lemercier kratzt nicht am Image der Diva, sie hinterfragt ihre Hingabe nicht. Manchmal wundert man sich, warum die Regisseurin ihre Freiheit, bedingt durch die fehlende Autorisierung, nicht besser genutzt hat.
Die Steffi Graf des Popgeschäfts
„Céline Dion ist die Steffi Graf des Popgeschäfts. Immer gesiegt, nie geliebt. Mainstream eben, doch noch nicht einmal ein Objekt, das den Streit lohnte“, schrieb der Musikkritiker Jan Feddersen. Der Film ist eine Art Pendant zu Dions Liedern: ohne Widerhaken, ohne Tiefgang, ohne Geheimnisse.
Die 57-jährige Lemercier geht in ihrer Verehrung sogar so weit, Céline Dion selbst zu verkörpern, und zwar in jedem Lebensalter, also auch als Zwölfjährige, fast so, als wolle sie bis zur Unkenntlichkeit in der Musikerin aufgehen. Eine irritierende Entscheidung, die dem Film nicht guttut. Denn um Ähnlichkeit darf es dabei nicht gehen, zumal Lemercier nicht selbst singt, sondern – lippensynchron – Victoria Sio.
Zu Beginn hat es „Aline“ sehr eilig. Der Film zeigt in einer kurzen Bilderfolge, wie sich Alines Eltern im Quebec des Jahres 1932 kennenlernen und ein Kind nach dem anderen zeugen – bis Aline 1968 als 14. und letztes Kind auf die Welt kommt. Als Nesthäkchen hat Aline nichts zu melden; sie spricht nicht einmal Englisch. Trotzdem überrascht das kleine Mädchen die ganze Familie mit ihrer kraftvollen hohen Stimme. Schon mit fünf Jahren tritt sie zum ersten Mal öffentlich auf.
Von da an geht es nur noch nach oben
Ihre Mutter schickt eine Kassette an den Musikproduzenten Guy-Claude Kamar (gemeint ist René Angélil). Auch er ist nach anfänglichem Desinteresse begeistert. Aline singt zunächst auf französisch; 1981 nimmt sie ihre erste Platte auf. 1988 gewinnt sie mit „Ne partez pas sans moi“ sogar den „Grand Prix d’Eurovision“ in Dublin. Von da an ist der weltweite Erfolg nicht mehr aufzuhalten.
Immer an ihrer Seite: Guy-Claude Kamar. Aus der anfänglichen Schwärmerei für den 26 Jahre älteren Produzenten ist Liebe geworden. Sehr zum Unwillen von Alines Mutter.
Vielleicht ist diese Beziehung zu einem wesentlichen älteren Mann einer der interessantesten Aspekte des Films, weil die Eltern von der Aufrichtigkeit der Gefühle überzeugt werden müssen, aber auch, weil durch die Widerstände die Liebe noch größer wird. Am anrührendsten ist jener Moment, wenn Aline in Las Vegas nach einem Auftritt im „Caesar’s Palace“ von Kamars Tod erfährt und orientierungslos durch die Straßen irrt, da sie das Hotel in den drei Jahren zuvor nie verlassen hatte. Ein anderes Mal verläuft sie sich im eigenen Haus, fast so als sei ihr der Luxus nicht geheuer. Auch ihre leere Handtasche, die ihre Bedürfnislosigkeit unterstreicht, deutet darauf hin.
Eine Geste ohne Folgen
Wenn ihr kleiner Sohn am Badezimmerfenster abends auf ihre Rückkehr aus dem Caesar’s Palace wartet, könnte ein weiterer Konflikt angedeutet sein. Doch die Inszenierung geht auf Nummer sicher und belässt es bei einem konventionellen, in seiner Konfliktscheu fast schon anti-dramatischen Film, der vor allem Fans von Céline Dion ansprechen soll. Dazu passt jene erfundene Szene, in der Aline ein Konzert abbrechen muss, weil ihr die Stimme versagt. Plötzlich steht das Publikum auf und singt an ihrer Stelle weiter. Allerdings haben auch schon „Metallica“-Fans für James Hetfield gesungen. So verpufft auch diese Geste ohne Folgen.