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Filmkritik
Das Badetuch ist unschuldig und umstritten zugleich. Sowohl beim Strandurlaub als auch im Schwimmbad wird daraus eine Waffe, wenn es zum Reservieren der besten Liege ausgeworfen wird. Der Handtuchwurf ist aber längst auch ein Politikum und in dem neuen Film von Doris Dörrie weit mehr als eine piefige Ferienangewohnheit. „Freibad“ hat die Filmemacherin ihn getauft, und natürlich ist auch dieser Titel zweideutig: Das Freibad als Erholungs-Oase an der frischen Luft, aber auch als gedanklicher Freiraum und Ort für Diskurs. Schauplatz und Denkraum ist hier das einzige Frauenfreibad Deutschlands.
Wie steht es mit der Toleranz?
Dörrie macht die Liegewiese zu einer humoristischen Feldstudie in Toleranz und Diversität. Sie nennt das Schwimmbad in Interviews einen der letzten demokratischen Orte, denn hier treffen sämtliche kulturelle Backgrounds aufeinander, zudem alt und jung, dick und dünn, arm und reich; ein Querschnitt der deutschen Gesellschaft, die sich gerne für multikulturell hält, aber oft ganz anders handelt. Das ist geradezu perfekt, um nachzusehen, wie es um die allseitig propagierte Toleranz bestellt ist.
So thront die ehemalige Schlagerkönigin Eva mit ihrem künstlich jung gehaltenen Körper neben ihrer Freundin Gabi unter einem Sonnenschirm, schwelgt in ihren Erinnerungen an Demos für Frauenrechte und suhlt sich in ihrem früheren Image als Vorreiterin des Feminismus, während sie von der Liege aus über die Speckröllchen und Burkinis der anderen Frauen lästert. Die sehen in Eva eine bärbeißige Alte und in ihren FKK-Anwandlungen ein unzeitgemäßes Überbleibsel der freizügigen 1968er-Generation.
Von Schirm zu Schirm
Von Schirm zu Schirm lässt Dörrie ihre Kamera durch das Schwimmbad wandern, wobei sie allen Perspektiven Raum gibt: der türkischen Familie mit dem Riesenpicknick, der Sportschwimmerin Yasemin im Burkini, der androgynen Kim am Kiosk und der muskelbepackten Kassiererin Rocky mit Frotteestirnband und Hanteln. Sie alle frönen in dieser bonbonbunten Freibadwelt ihrer Individualität und gleichen diese mit den anderen versammelten Gruppen ab, die sich immer wieder zu Lagern verdichten und Fronten entstehen lassen. Toleranz endet eben spätestens da, wo es an die eigenen Privilegien geht.
„Freibad“ ist ein Open-Air-Kammerspiel am Swimmingpool. Doris Dörrie und ihre Drehbuchautorinnen Karin Kaçi und Madeleine Fricke hatten sichtlich Spaß, all diese Gruppen mit ihren Argumenten und Befindlichkeiten aufeinander loszulassen. Ein wenig leidet der Film jedoch unter der schieren Anzahl an Figuren, denn die meisten von ihnen werden in ihren kurzen Auftritten auf die Klischees reduziert, gegen die sie eigentlich angetreten sind. In ein Freibad passen eben doch ein paar mehr Leute als in ein klassisches Kammerspiel. Die humorvolle Überspitzung funktioniert daher nur teilweise. In den meisten Fällen wirken die Revierkämpfe der unterschiedlichen Lager so, als hätte man allen Frauenthemen zum Trotz ein paar Stammtische mit seichtem Schenkelklopfer-Humor aufeinandergehetzt. Das nutzt sich nach einigen Schlagabtäuschen dann auch rasant ab.
Wer kann es ihr verdenken?
Kein Wunder also, dass Bademeisterin Steffi diesen Zirkus von Beginn an augenrollend dirigiert. Sie sei hier schließlich nicht die Kindergärtnerin, die Streit schlichten müsse, sondern zur Sicherheit aller da. Als eine Busladung reicher Schweizerinnen in Burka das Schwimmbad stürmt, ist das so schon wackelige Konstrukt zum Einsturz verdammt und über das Schwimmbad bricht das Chaos herein. Da wirft die Bademeisterin das Handtuch und kündigt. Wer kann es ihr verdenken?