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Filmkritik
Verlieben, heiraten. Die Welt kann so einfach sein. Az (Yasin Houicha) gibt sich redlich Mühe, seinen Lebensentwurf zu einem für ihn wunderbar romantischen Abschluss zu bringen. Der Austernzüchter am südfranzösischen Mittelmeer hat den Verlobungsring in eine seiner Muscheln gefrickelt, die er seiner liebsten Jess (Tiphaine Daviot) kredenzen will. Doch die hat ausgerechnet an diesem Abend ihren Kopf ganz woanders. Und ihre Gefühle sowieso. Während der junge Romantiker seinen nicht für alle geschmackvollen Antrag vorbereitet, will sie eigentlich erst einmal Abstand. Ebenso in Sète groß geworden, hat Jess beim Fernsehen Karriere gemacht und trifft sich seit einer Weile mit ihrem Serienpartner Giaccomo (Guillermo Guiz) nicht nur zum Texte Einstudieren.
Für Az bricht eine Welt zusammen. Ausgerechnet am geplant schönsten Tag seines Lebens. Der sonst gerne auch als Macho bezeichnete Fischer verhält sich wie sonst normalerweise nur Bridget Jones im Kino: im Bett viel Schokolade, Taschentücher und dazu Schnulzen wie „Bodyguard“! Selbst seine Freunde können den Sonnenschein nicht aus dem Tief befreien. Raphaël (Raphaël Quenard), Ahmed (Bilel Chegrani) und Kalidou (Diong-Kéba Tacu) sind selbst noch zu grün hinter den Ohren und zu polterig, um ihm konstruktive Beziehungstipps zu geben. Einzig die patente Lila (Oulaya Amamra) hat Einfühlungsvermögen und einen Plan: die aufkeimenden Starallüren von Jess mit Selbstbewusstsein kontern. Also nötigt sie den gerne ungestümen Az zu einem Intensivkurs in expressivem Partytanz und bietet sich als Partnerin und angebliche Freundin an, damit er bei einer anstehenden Set-Party der TV-Produktion seine Quasi-Ex ordentlich eifersüchtig machen kann. Dass all das die Sache nur noch weiter verkompliziert, hätten Az und Lila indes nicht gedacht.
Ab der Austernvorspeise ist alles klar
Freunde romantischer Liebesdramödien (und auch Kritiker derselben) wissen indes genau, was solch eine Ausgangsituation zur Folge hat. Eigentlich ist bereits vor dem ersten Liebeseklat mit der Austernvorspeise klar, dass Az und Jess schwerlich ein Paar werden. Dazu hat sich Regisseurin und Drehbuchautorin Emma Benestan mit Tiphaine Daviot für Jess eine allzu herbe Schönheit und mit Oulaya Amamra für Lila jenen trotzig-sympathischen Lockenkopf gecastet, der optisch und charakterlich ideal zur Rolle des liebeswirren Fischers passt. Kein Wunder, dass die vermeintliche Zweckgemeinschaft von Lila und Az zur tragenden Lovestory mit Hindernissen avanciert, die „Fragile“ endgültig zur romantischen Komödie macht.
Sieht man einmal davon ab, dass hier „Bridget Jones“ ausnahmsweise ein Mann ist, lässt Benestan kaum ein Klischee ungenutzt, um die beiden vermeintlichen guten Freunde zum Liebespaar werden zu lassen, inklusive Tanztraining und Plätzchenbacken. Hinzu kommt, dass Az seine „erste Wahl“ immer vor seinen (vermeintlich zu prolligen) Freunden versteckt hat, während Lila immer schon ein organischer fünfter Teil von Az’ Clique war. Aber wie schon Hans Christian Andersen im „Hässlichen Entlein“ angedeutet hat, braucht es manchmal den zweiten Blick zum Happy End; und diesen wirft Az auf Lila pünktlich zur Partysequenz im Mittelteil des Films. Doch danach beginnt munter – und ebenfalls nicht weiter überraschend – die Entfremdung des neu gefundenen Pärchens. Az kann sich (oder darf sich laut Drehbuch) nicht sofort für die Richtige entscheiden und laviert zwischen dem weiblichen Kumpel und der erfolgreichen TV-Aktrice, die sich zu allem Unglück von ihrem erfolgsgeilen (Film-)Partner aus der Serie gedrängt sieht.
Ein Herz für fragile Machos
Für einen Augenblick sieht es aus, als setze sich Benestan mit ihren Drehbuchentscheidungen zwischen alle Zuschauerstühle. Denn es besteht durchaus die Gefahr, dass sie ihren „Star“ Az mit seinen irrationalen Entscheidungen äußerst unbeliebt macht. Per definitionem kann es kein Happy End mit einem Prinzen geben, der zuvor seiner Prinzessin das Herz bricht. So kommt das titelgebende Adjektiv zum Zuge, das den Charakter von Az erklärt und ihn gleichzeitig über alle Bedenken hinweg liebenswert macht. Er hat einfach zu viel Angst, alles falsch zu machen und möchte dabei einfach nicht „zerbrechlich“ (fragile), sondern stark wirken. Dabei ist es doch genau das, was (südfranzösische) Frauen wollen, wie ihm Lila unverständlich klarmacht: fragile Machos!
Wären wir in Hollywood, wäre „Fragil“ einer dieser vielen Kitschfilme, von denen man nicht weiter Aufhebens machen muss. Doch der Film kommt aus Frankreich, in dem Beziehungspoet Éric Rohmer seine Strandfilme gedreht hat oder Komödien wie „Meeresfrüchte“ mit ihrer herben, ungeschönten Albernheit zu Millionenerfolgen werden. Irgendwo dazwischen bewegt sich auch „Fragil“, der zudem und maßgeblich das Glück hat, ein Darsteller-Ensemble zu haben, das über das klischeehafte Drehbuch einfach hinwegspielt. Es macht Spaß, Oulaya Amamra dabei zuzuschauen, wie sie an Yasin Houichas Naivität und versteckter Unbeholfenheit fast verzweifelt, während dieser an seinen drei Kumpels verzweifelt. Und es hat etwas zutiefst Versöhnliches, wenn es Kameramann Aurélien Marra immer wieder gelingt, auch eine so wenig ansehnliche Hafenstadt wie Sète als Ort zum Träumen in Szene zu setzen. Verlieben, heiraten. Die Welt kann manchmal wirklich so einfach sein.