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Filmkritik
Der Filmtitel sagt prinzipiell alles. Während vier aufeinanderfolgenden Hochzeiten begegnen sich stets dieselben Freunde einer kleinen Londoner Clique aus der "besseren" englischen Gesellschaft. Mal sind sie Gäste, mal ist einer von ihnen Trauzeuge, schließlich ist einer, Charles, selbst der Bräutigam. Zwischen der dritten und der letzten Hochzeit dann die Beerdigung nach einem Todesfall: einer aus der Clique, der homosexuelle Gareth. starb inmitten ausgelassener Feierlichkeiten in einem schottischen Schloß, nun wird er in einer kleinen Kapelle beigesetzt, sein Freund und langjähriger Geliebter Matthew hält die Abschiedsrede. Die vierte Hochzeit schließlich erweist sich als Mißverständnis und kommt in allerletzter Sekunde gar nicht zustande. Charles, Anfang 30, liebt nämlich eine ganz andere Frau, die er bereits während der ersten Hochzeit kennenlernte: die Amerikanerin Carrie, mit der ihn zunächst "nur" eine intensive Liebesnacht verbindet. Ihre zweite, zufällige, Begegnung während der nächsten Hochzeit stürzt Charles vom höchsten Punkt des Glücks in tiefste Niedergeschlagenheit: Carrie stellt ihm ihren Verlobten vor, einen weitaus älteren, sehr reichen Schotten. So kommen Charles und seine Freunde zur dritten Hochzeit, und so kommt es, daß Charles seine "zweite Wahl" trifft, um selbst auch zu heiraten. Doch unter seinen Hochzeitsgästen sitzt Carrie, die ihm offenbart, daß sie sich inzwischen von ihrem Mann getrennt hat.
Der Filmtitel sagt zugleich freilich nur wenig bis überhaupt nichts. Er listet mit typisch britischer Unterspieltheit und staubtrockenem Humor lediglich den "formalen Tatbestand" auf und spart alle emotionalen Tiefen aus, die der Film selbst in bemerkenswerter Vielfalt auffächert. Er tut dies in einer Art polychromem Reigen kleinerer und kleinster Geschichten, die das Zentrum - die verfahrene Liebe von Charles und Carrie und ihre Umwege zum Glück - wie Satelliten begleiten und mit dem komisch-klugen Blick auf eine Gruppe ratloser junger Menschen "unterfüttern". Mit selten zu erlebender Leichtigkeit jongliert Mike Newell zwischen den Polen: mal zwerchfellerschütternde Komödie mit köstlichsten Sitcom-Einfällen, dann behutsames Liebesmelodram mit impressionistisch hingetupften Hinweisen auf die Verletzlichkeit und Ängste der Personen, dann schließlich bewegendes Drama, wenn es darum geht, eine ausweglose Liebe zu betrauern oder von einem verstorbenen Freund Abschied zu nehmen. Matthews Trauerrede am Grab seines Geliebten Gareth, in der er ein berühmtes Liebesgedicht von W. H. Auden zitiert, ist dabei eine Art dramatischer Wendepunkt, der das gesellschaftliche Ritual der Beisetzung auf ihren eigentlichen Sinn zurückführt: auf einen Moment der Besinnung und des Innehaltens, der sich zu einem aus tiefstem Herzen kommenden Appell verdichtet, zu seinen Gefühlen zu stehen und sie zu leben, in glücklichen wie in unglücklichen, in guten wie in schlechten Zeiten - womit wunderbarerweise zugleich auch die Formel des Hochzeitsrituals mit vergleichbarem Sinn gefüllt wird.
Ohne solche Wärme und lebenszugewandte Bewußtmachung wäre der Film nur die Hälfte wert. Erst im unmittelbaren Nebeneinander von Lachen und Weinen, von Glück und Trauer, von Hochzeit und Beerdigung als Chiffren für Leben und Tod verbinden sich die Ereignisse zu einem filmischen Lebenskosmos, in dem sich Mitfühlen und Mitgefühl für die Personen einstellen. Mit Anteilnahme und Humor schildert der Film die Menschen in ihren (britischen) Verschrobenheiten und Skurrilitäten, arbeitet durch feine Verschiebungen oder Ergänzungen im Wechsel von einer Hochzeitszeremonie zur nächsten griffige Charaktere heraus, was bei einer solch episodisch angelegten Erzählstruktur gewiß nicht selbstverständlich ist. Dabei durchstößt er, stets respektvoll, die schöne äußere Fassade, um die dahinter verborgenen Gefühle "anzuzapfen": die punkige Scarlett, die allgemein als exzentrisch gilt, entpuppt sich als hoffnungslose Romantikerin, die zynisch-spitzzüngige Fiona leidet in Wahrheit tief unter ihrer unerwiderten Liebe zu Charles, ihr Bruder Tom, einer der reichsten Männer Englands, ist nicht nur tappsig und ungeschickt, sondern auch voll melancholischer Sehnsucht nach einem schlichten Liebesglück. Charles und Carrie schließlich haben sich wohl am perfektesten in einer Art Lebenslüge eingerichtet, die es ihnen denn auch so schwer macht, ihre Gefühle füreinander zu erkennen und auszusprechen. Charles, einerseits stets leicht unkonzentriert, andererseits reaktionsschnell genug, um sich chamäleonartig an unerwartete Situationen anzupassen, durchlebt gar eine höllische Odyssee durch seine Verfehlungen, etwa wenn er ausgerechnet mit den Offenbarungen seiner einstigen Geliebten konfrontiert wird oder unfreiwilliger Zeuge der Liebeslust zweier Frischvermählter wird, woraufhin er auf herrlich komische Weise verwirrt und peinlich berührt die Flucht ergreift. Als er schließlich, resigniert, beinahe die falsche Frau heiratet, kommt ihm sein gehörloser Bruder David zu Hilfe - und da David eben auch nicht sprechen kann, ist Charles gezwungen, vor allen Anwesenden Davids Zeichensprache zu übersetzen und so doch endlich mit eigener Stimme das auszusprechen, was er sich sonst nicht getraut hätte.
Ausgelassen demonstriert der Film seine Vorstellung von gelebter Daseinsfreude, die er im (wohl kaum adäquat zu synchronisierenden) Original als "being joyful" in allen Lebenslagen beschreibt. Damit setzt er alle Rat- und Ziellosigkeit der Personen mühelos außer Kraft und mündet in eine ebenso schlicht-naive wie bestechende Utopie, bei der jeder "Katzenjammer" hinweggefegt wird und zugleich alle sozialen Gegensätze und Schranken glattweg ignoriert und damit überwunden werden. Irgendwie leben alle Personen finanziell sorglos und unabhängig, manche sind nur noch reicher als die anderen; wovon sie leben und ob sie damit existentielle Sorgen haben, klammert der Film kategorisch aus. Für ihn sind es auch nicht die gesellschaftlichen Schichten, die die Menschen voneinander trennen, sondern deren Vorurteile. Erst wenn sich alle gegenseitig in ihren menschlichen Schwächen und Stärken akzeptieren, leben sie wirklich miteinander - ohne Naserümpfen, Spott und Häme. Das beschreibt auch eine der komischsten Szenen des Films, die sogar Spuren von wahrem Suspense aufweist: ein junger Pfarrer (gespielt vom populären englischen Komiker Rowan Atkinson/"Mr. Bean") verhaspelt sich bei seiner ersten Trauung voller Aufregung und baut absurde Wortkaskaden vor dem Hochzeitspaar und den - gästen auf. Besorgt hilft man ihm über die ärgsten sprachlichen Klippen, bis die Kirche endlich von erleichtertem Applaus erfüllt wird. Das ist alles andere als das Verhohnepiepeln eines kirchlichen Rituals, vielmehr seine respektlos-liebenswerte Rückführung auf menschliche Lebbarkeit - liebenswürdig und eben "joyful".